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Ein Friedhof der Großmütter und Babys

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Hinweisschild zum Flüchtlingsfriedhof Oksboel in Dänemark.

Foto: epd-bild/Leonie Mielke

Hinweisschild zum Flüchtlingsfriedhof Oksboel in Dänemark.

Dänemark taucht beim Gedenken an die Tragödien des Zweiten Weltkrieges nur selten auf. Doch auf den Gräberfeldern des nördlichen Nachbarn ruhen mehr als 14.000 deutsche Flüchtlinge sowie deutsche, britische und australische Soldaten.

Die Gräber liegen akkurat in einer Reihe. Gepflegt, mit roten Geranien umpflanzt. Auf den Kreuzen stehen Namen wie Hedwig, Ilse und Eleonora. Wer nicht auf die Geburts- und Todesdaten achtet, dem wird der dänische Friedhof nahe der Hafenstadt Esbjerg wie ein gewöhnlicher erscheinen. Doch er ist es nicht. Hedwig, Ilse und Eleonora gehören alle zur Familie Sahm und starben in den Jahren 1945 und 1946. Hedwig mit 71 Jahren, Ilse mit 45 und Eleonora mit drei Jahren.

Ein paar Meter weiter finden sich die Gräber der jüngsten Familienmitglieder: Ludwig, der nur zwei Jahre alt wurde, und Birgit, die als Baby starb. Die Familie hatte am Ende des Zweiten Weltkriegs zwar die Flucht aus Ostpreußen überlebt, aber nicht die Nachkriegsmonate in Dänemark. Ihre Mitglieder liegen zusammen mit rund 1.700 anderen Flüchtlingen auf dem dänischen Flüchtlingsfriedhof Oksböl - im Volksmund auch "Friedhof der Großmütter und Babys" genannt. Die meisten starben an Hunger oder Krankheit.

Das Meer spülte viele Tote an

Seit Ende 1944 war das besetzte Dänemark Ziel zahlreicher deutscher Schiffe, die Verwundete und Vertriebene aus Ostpreußen und Pommern in Sicherheit brachten. Mehr als eine Viertel Million Flüchtlinge blieben nach 1945 im Land, viele schwer krank. Die dänischen Ärzte waren überlastet, die Bestatter ebenso. Aus Zeit- und Raummangel ging man schließlich von der Erdbestattung zur Einäscherung über. 

Doch die Schrecken des Krieges kamen nicht nur mit Schiffen nach Dänemark, viele Tote spülte das Meer selbst an. Darunter waren Zivilisten, deren Boote versehentlich von einem Torpedo getroffen worden waren. Aber auch deutsche Heeresangehörige und Matrosen von versenkten Schiffen trieben an Land.

In Dänemark ruhen insgesamt mehr als 24.000 deutsche Kriegstote: Neben rund 10.250 Soldaten sind es etwa 14.500 Vertriebene und Flüchtlinge. Darunter waren 7.000 Kinder, wie aus Dokumenten von Jörg Raab hervorgeht. Er ist der Geschäftsführer des bayerischen Landesverbands des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge, der die Reise zu den dänischen Kriegsgräbern organisiert und bezahlt hat.

Kriegsgräberfürsorge investiert jährlich 175.000 Euro

Blumengesteck in Herzform auf dem Flüchtlingsfriedhof Oksboel.

Tatsächlich hinterließen die Kämpfe und Gräuel des Zweiten Weltkrieges mehr Tote in Dänemark als offizielle Dokumente vermuten lassen. Im April 1940 besetzten deutsche Truppen in der Operation "Weserübung" das Land. Die Dänen fügten sich zunächst unter formellen Protest, um der Bevölkerung einen aussichtslosen Kampf zu ersparen. Bis 1943 herrschte relative Ruhe, dann entwickelte sich organisierter Widerstand mit Demonstrationen und Sabotageakten.

Die Wehrmacht hob die bis dahin geltende beschränkte Souveränität des Landes auf. Die Dänen schafften es aber, rund 7.000 Juden nach Schweden in Sicherheit zu bringen. Bis zur Befreiung des Landes am 9. Mai 1945 starben laut dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge rund 3.200 Dänen, 113 von ihnen wurden hingerichtet.

Die im Krieg getöteten deutschen Soldaten wurden nach dem Abschluss eines deutsch-dänischen Abkommens von 1962 auf 34 Kriegsgräberstätten zusammengebettet. Dazu gehören die Deutsche Kriegsgräberstätte Kopenhagen oder der Soldatenfriedhof Esbjerg. Rund 175.000 Euro, größtenteils Spenden und Mitgliederbeiträge, investiert die Deutsche Kriegsgräberfürsorge jährlich in die Erhaltung der Gräber.

Nicht weit entfernt von den Kreuzen der deutschen Soldaten in Esbjerg ragen eckige Grabsteine mit den Emblemen der "Royal Air Force", der "Royal Australian Air Force" oder der "Royal Canadian Air Force" in die Höhe: Mehr als 1.000 Soldaten des Commonwealth sind in Dänemark begraben. "Die meisten waren Piloten, die über dem Meer abgeschossen worden sind", erklärt Raab. "Flight Sergeant" oder "Flying Officer" steht auf den Grabsteinen sowie das Alter zum Todeszeitpunkt - viele kamen vor ihrem 30. Lebensjahr um.

An Gedenktagen wie dem Volkstrauertag erinnern die Deutsche Kriegsgräberfürsorge und der britische Kriegsgräberverband, die "Commonwealth War Graves Commission", an alle im Krieg Verstorbenen. "Wir Deutschen legen zuerst Kränze auf die Gräber der Mitglieder des Commonwealth ab, dann umgekehrt", sagt Maurice Bonkat, Redakteur bei der Deutschen Kriegsgräberfürsorge in Kassel. Man wolle ein grenzüberschreitendes europäisches Gedenken etablieren.


AHA - Die Seele ist nicht unsterblich!

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Was die Seele ist - und was sie ausmacht
Was ist die Seele? Welche Funktion hat sie? Gehören Körper und Seele zusammen? Gedanken zu Seele und ewigem Leben.

Was Sie eigentlich schon immer über Kirche, Glaube oder Religion wissen wollten, aber sich bislang vielleicht nicht zu fragen wagten... Claudius Grigat und Pfarrer Frank Muchlinsky sprechen über höchst Heiliges, kurios Kirchliches und scheinbar Selbstverständliches.

 

Die Kunst des Abschieds - Neun Tipps für Ihre Trauerrede

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Wie spreche ich auf einer Trauerfeier?
 Trauerrede

Foto: Getty Images/iStockphoto/Yulia-Images

Der alte Pfarrerspruch "Man darf über alles reden, aber nicht über 20 Minuten" gilt auch bei der Trauerfeier.

Viele scheuen den Umgang mit trauernden Menschen: Sie haben Angst, etwas Unpassendes zu sagen oder taktlos zu wirken. Wer bei einer Trauerfeier oder einer Beerdigung zu Hinterbliebenen sprechen soll – etwa in Form eines Grußwortes oder einer ganzen Ansprache – hat oft dieselben Befürchtungen. Doch eine Trauerrede ist gar nicht so schwer, wenn man bestimmte Regeln beachtet.

Eins vorweg: Die meisten Menschen sind dankbar, wenn jemand in einem solch schweren Moment wie dem des endgültigen Abschieds die richtigen Worte findet. Wenn Sie ein Grußwort halten wollen und nicht die gesamte Trauerfeier gestalten, sollten Sie das immer mit dem Bestatter, dem Pfarrer oder dem Trauerredner absprechen, am besten einige Tage im Voraus. Für Spontanität ist eine Trauerfeier der falsche Ort, Planung ist hier alles.

1. Drücken Sie nicht auf die Tränendrüse.

Die Situation in der Trauerhalle oder auf dem Friedhof ist schon traurig genug. Mein Tipp: erzählen Sie nichts von Krankheit oder Unfall oder sonstigem in dieser Richtung. Schildern Sie die aktive Lebenszeit des Verstorbenen, beginnen Sie in der Jugend, erzählen Sie von den schönen Zeiten, den Urlauben, den Geburten in der Familie, der beruflichen Laufbahn, den Hobbys. Auch in schwierigen Fällen gilt: Es gibt wohl niemanden, der nicht auch gute Zeiten erlebt hat. Stellen Sie das Positive in den Vordergrund. Man sollte die Biografie so anschaulich erzählen, dass auch Fernstehende sich ein Bild von der oder dem Verstorbenen machen können. Schön ist, wenn Familienangehörige erstaunt sagen: Das habe ich von ihm/ihr ja gar nicht gewusst.

2. Es darf auch gelacht werden.

Vermeiden Sie gespieltes Pathos. Suchen Sie nach schönen Anekdoten. Sorgen Sie für Überraschungen. Etwa, wenn die liebe Tante, die immer so auf Anstand und Etikette pochte, früher als Kind extrem frech war und nachts über den Zaun ins Schwimmbad kletterte. Oder wenn der immer so gewissenhaft und ernst wirkende Onkel als Kind einmal das neue Auto seines Vaters gegen die Mauer fuhr. Suchen Sie nach solchen Momenten, fragen Sie bei ihren Verwandten herum, wenn Sie für die eigene Familie sprechen. Man sollte allerdings nicht verkrampft nach Lachern suchen, wenn es nicht angebracht ist. Das wirkt dann eher peinlich.

3. Von Macken erzählen, Abgründe ruhen lassen.

Das antike Sprichwort "Von Verstorbenen soll man nur Gutes sagen" ist auch für eine Traueransprache eine gute Richtschnur. Aber: Übertreiben Sie es damit nicht. Wir sind alle keine Heiligen. Das heißt natürlich nicht, dass man einen Menschen im Nachhinein verurteilen soll. Die Trauerhalle ist kein Gerichtssaal. Wenn es in der Biografie wirklich Abgründe gab, soll man diese in diesem Moment ruhen lassen. Die meisten Angehörigen und Trauergäste wissen ohnehin davon. Mir geht es vielmehr um Macken, Schrullen und Ticks. Diese machen ja eine Person erst menschlich, etwa wenn jemand immer pünktlich um eins auf sein warmes Mittagessen Wert legte, und wehe eines der Kinder kam zu spät. Dann darf man gerne solche Anekdoten erzählen, vielleicht mit dem Zusatz: "…. wie Sie mir mit einem Augenzwinkern erzählten".

4. Die Trauerfeier als Ort des gegenseitigen Verzeihens.

Aber auch schwerwiegende Dinge dürfen zur Sprache kommen. Wenn die heute erwachsenen Kinder unter der Strenge des Vaters - oder der Mutter - wirklich gelitten haben und bis zum Schluss keine Aussprache stattfand, darf man auch das vorsichtig ansprechen. Etwa: "Ordnung und Disziplin waren ihm sehr wichtig, auf diese Tugenden baute er seine Karriere auf. Aber zuhause war es für Sie oft nicht einfach, wenn er diese Prinzipien auch bei Ihnen kompromisslos einforderte." Man sollte solche Dinge einordnen. Um bei diesem Beispiel zu bleiben: Gerade die Kriegsgeneration wusste es oftmals nicht besser. Viele gaben mit den besten Absichten weiter, was sie an sich selbst erfahren haben. Die Abschiedsfeier kann daher auch der Ort für ein gegenseitiges Verzeihen sein. Die kirchliche Beerdigung kennt dafür die Fürbitte. Aber auch in einer weltlichen Trauerfeier kann man einen Moment einbauen, etwa als Einleitung einer Stille-Minute oder vor einem ruhigen Musikstück, in dem man stellvertretend für die Anwesenden spricht. Etwa: "Für alles, worüber wir zu Lebzeiten nicht sprechen konnten, verzeihen wir ihm/ihr. Zugleich bitten wir ihn/sie in der Stille, auch uns zu verzeihen."

Ein sehr persönlich gehaltener Brief der Enkelin an ihren Lieblings-Opa

5. Wie hält man es mit der Religion?

Das ist manchmal schwierig. Sollte der Verstorbene zu Lebzeiten ein erklärter Gegner von Religion und Kirche gewesen sein, sollte man auch in der Feier darauf Rücksicht nehmen und diese rein weltlich gestalten. Oft wünschen sich viele Familienmitglieder aber trotz einer weltlichen Feier zumindest ein "Vaterunser" oder ein Gedicht mit religiösen Elementen am Grab. Hier muss man abwägen, dafür gibt es kein Patentrezept. Auf keinen Fall sollte man den Angehörigen etwas aufzwingen, womit sie sich unwohl fühlen.

6. Welche Form hat eine Abschiedsrede?

Man kann eine Abschiedsrede in Form einer biografischen Abfolge gestalten, sozusagen als Lebenserkundung. Oder man schreibt direkt an den Verstorbenen. Das kann zum Beispiel ein sehr persönlich gehaltener Brief der Enkelin an ihren Lieblings-Opa sein. Allerdings sollte man sich hier gut prüfen, ob man der Situation in der Trauerfeier emotional gewachsen ist. Aber auch wenn die Stimme nach den ersten Sätzen versagt: Das wird jeder verstehen.

7. Dauer der Trauerrede.

Der alte Pfarrerspruch "Man darf über alles reden, aber nicht über 20 Minuten", gilt auch bei der Trauerfeier. Allerdings wären hier maximal eine Viertelstunde genug, zehn Minuten sind besser. Bedenken Sie, es wird auch noch Musik gespielt und weitere Texte, etwa Gedichte, werden vorgetragen. Man sollte seine Zuhörer nicht langweilen.

8. Reaktionen auf ihre Traueransprache.

Die Trauerfeier ist ein ganz besonderer Ort. Erwarten Sie keinen Applaus für Ihre Rede. Im Gegenteil, die meisten Menschen werden Sie eher gedrückt oder mit finsterer Miene anschauen. Die einen, weil Sie wirklich in einer niedergeschlagenen Stimmung sind, meist nahe Angehörige. Andere denken, man müsse in einer Trauerfeier so dreinschauen. Lassen Sie sich dadurch nicht verunsichern. In einem Trauergottesdienst oder einer säkularen Trauerfeier können wir nur schwer erspüren, was in Menschen wirklich vorgeht, die einen Todesfall zu beklagen haben. Abhilfe schafft hier der Augenkontakt mit drei oder vier interessierten Zuhörern, die Ihnen auch von der Mimik her gewogen sind.

9. Das Wichtigste überhaupt.

Seien Sie einfach Sie selbst, verstellen Sie sich nicht, kein übertriebenes feierliches oder pastorales Gehabe. Reden Sie nur, wenn Sie es wirklich wollen, ansonsten überlassen Sie das den Profis, vor allem bei sehr schwierigen Abschieden. Sammeln Sie sich kurz vor der Rede, fokussieren Sie sich, suchen Sie beim Stehen ihre Mitte. Sprechen sie langsam - so langsam, dass es Ihnen selbst unnatürlich erscheint. Setzen Sie Betonungen und leiern sie den Text nicht herunter. Blicken Sie ihr Publikum an, suchen Sie Resonanz mit der Trauergemeinde. Mit ihrer Rede drücken Sie gegenüber den betroffenen Menschen bereits ihre Anteilnahme und Mitgefühl aus. Wenn Sie noch dazu aus ihrem Herzen sprechen, dann können Sie nichts falsch machen.

Online trauern

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Chat-Andacht am Totensonntag.

Foto: Getty Images/Hemera/Izaokas Sapiro

Im Internet gemeinsam trauern? Das wird möglich gemacht durch eine Chat-Andacht am Totensonntag.

Den Verstorbenen in einem Gottesdienst gedenken, obwohl man zu weit von deren Wohnort entfernt lebt? Im Internet trauern? All das wird möglich gemacht durch eine Chat-Andacht am Totensonntag. Und so funktioniert es.

Mit einer Chat-Andacht können Trauernde am Ewigkeitssonntag (26. November) im Internet ihrer Verstorbenen gedenken. Mit dem Angebot www.trauernetz.de wolle die Kirche auch für die Menschen da sein, für die das Internet ihr Ort zum Trauern ist, teilte die bayerische evangelische Landeskirche am Montag in München mit.

Angehörige und Freunde könnten im Chat auch Menschen gedenken, die vor längerer Zeit verstorben sind. Ebenso richte sich das Angebot an Trauernde, die aufgrund der Entfernung nicht am Gottesdienst am Wohnort der Verstorbenen teilnehmen können. Stattdessen könnten sie deren Namen in ein Online-Trauerbuch eintragen. Während der Andacht am Ewigkeits- oder Totensonntag würden diese dann im Chat eingeblendet. Im Anschluss können die Teilnehmer gemeinsam das Vaterunser mitbeten und um Gottes Segen bitten, hieß es weiter.

Für evangelische Christen ist der Ewigkeitssonntag der Gedenktag, an dem sie sich an ihre Verstorbenen erinnern. Das Portal www.trauernetz.de ist eine Kooperation der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, der Evangelischen Landeskirche in Baden, der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers, der Evangelischen Kirche von Hessen und Nassau und der Evangelischen Kirche im Rheinland sowie der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD).

Game Over: Neue ungewöhnliche Grabsteine

Zehn Protestanten und ihre letzten Ruhestätten

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Albert Schweitzer

Foto: Foto: Roland Wolf/Deutsches Albert-Schweitzer-Zentrum Frankfurt a. M.

Die letzte Ruhestätte bekannter Protestanten liegt oftmals nahe ihrer einstigen Wirkungsstätte.

Männer wie Frauen haben im Zuge der Reformation dem Protestantismus ihre Stimme verliehen. Wo sie gewirkt haben, ist vielen bekannt. Ihr Schaffen wirkt bis in die heutige Zeit. evangelisch.de gibt einen Überblick, wo sie ihre letzte Ruhe gefunden haben und wie man sich ihrer erinnert.

Jan Hus (1369 - 1415)

Der Hussenstein in Konstanz.
Der Prager Theologe und Prediger Jan Hus wurde unter Vortäuschung freien Geleits nach Konstanz gelockt und dort vom Konzil zum Scheiterhaufen verurteilt und am Nachmittag des 6. Juli 1415 zusammen mit seinen Schriften verbrannt, weil er seine Lehre nicht wiederrief. Hus war stark beeinflusst von den Lehren John Wyclifs. Als man das Feuer anzündete, soll Hus gesungen haben: "Christus, Du des Lebendigen Gottes Sohn, erbarme Dich meiner!" Die Flammen schlugen ihm ins Gesicht, als er sang: "Du, der Du geboren bist von der Jungfrau Maria…". Heute erinnert ein Gedenkstein am mittelalterlichen Richtplatz in der danach benannten Straße "Zum Hussenstein" daran. Der Findling erinnert zugleich auch an den ebenfalls auf dem Konstanzer Konzil am 30. Mai 1416 hingerichteten Hieronymus von Prag. "Die Asche von Jan Hus wurde in den Rhein gestreut, damit nichts von seiner Leiche übrig blieb, das als Reliquie verehrt werden konnte. Das war im Mittelalter bei den Hinrichtungen von 'Ketzern'üblich", sagt Jan Kalivoda von der Hus-Museum-Gesellschaft in Prag. Über Hus Verhältnis zum Tod lässt sich sagen, dass er diesen als Übergang in eine Sphäre betrachtet habe, in der er rehabilitiert sei und möglicherweise auch für seine Gerechtigkeit und Mut belohnt werde.

Martin Luther (1483 - 1546)

Das Grab des Reformators Martin Luther in der Schlosskirche der Lutherstadt Wittenberg.
Der Reformator Martin Luther kämpfte in seinen letzten Lebensjahren mit einem Herzleiden. Auch hatte ihn der Tod seiner Tochter Magdalena im Jahre 1542 schwer getroffen. Seine letzte Vorlesung an der Wittenberger Universität soll er mit den Worten "Ich bin schwach, ich kann nicht mehr" geschlossen haben. Noch am 17. Januar 1546 reiste Luther in seine Geburtsstadt Eisleben, um Streitigkeiten in der Mansfelder Grafenfamilie zu schlichten, was ihm auch gelang. Am frühen Morgen des 18. Februar 1546 verstarb der 62-Jährige friedlich um 2.45 Uhr in Eisleben. Ernst Jünger zitiert in seinem Buch "Letzte Worte" auch die letzten Worte Martin Luthers, die da lauten: "Mir ist sehr wehe und angst; ich fahre dahin". Dann soll er gebetet haben: "Mein himmlischer Vater, ewiger, barmherziger Gott, du hast mir deinen lieben Sohn unseren Herrn Jesus Christus geoffenbart; den habe ich gelehrtet, den habe ich bekannt, den liebe ich, den ehre ich als meinen lieben Heiland und Erlöser welchen die Gottlosen verfolgen, schänden und schelten; nimm meine Seele zu dir!" Und weiter: "In deine Hände befehle ich meinen Geist", soll er lateinisch noch hinzugefügt, seine Hände gefaltet und schließlich einen letzten tiefen Atemzug geholt haben. Am 22. Februar wurde er neben der Kanzel in der Wittenberger Schloss- und Universitätskirche beigesetzt, wo er oft gepredigt hatte. Später wurde auch Philipp Melanchthon dort begraben. "Das Grab von Martin Luther spielt auch heute noch für die Besucher der Schlosskirche eine Rolle. Am Geburtstag und Sterbetag wird es besonders geschmückt", sagt der Wittenberger Probst Siegfried T. Kasparick. Auch wird an seinem Grab oft gesungen, beispielsweise: "Ein feste Burg ist unser Gott".

Katharina von Bora (1499 - 1552)

Epitaph: Oben rechts ist das Wappen der Familie von Bora, links oben ist die Lutherrose, Luthers Wappen.
Sie war Nonne und die Frau von Martin Luther. Im Laufe ihrer 20-jährigen Ehe mit dem Reformator brachte sie sechs Kinder zur Welt. Im Sommer 1552 floh sie mit ihrer Tochter Margarete vor der Pest und verließ Wittenberg. Als starke Persönlichkeit war Katharina von Bora für den Reformator auch eine seiner wichtigsten Vertrauenspersonen. Auf ihrem Weg nach Torgau wurde sie, als die Pferde scheuten, bei einem Unfall mit der Kutsche verletzt. Um ihre Kinder zu schützen, soll sie von der Kutsche gesprungen sein, landete in einem Wassergraben und brach sich ihren Beckenknochen. Drei Wochen später starb sie mit 53 Jahren am 20. Dezember 1552 an den Folgen des Unfalls. Auch hatte sie sich von ihrer Erkältung nicht mehr erholt. Ihr Sterbehaus in Torgau ist heute ein Museum. In der Torgauer Marienkirche wurde sie begraben. Die genaue Grabstelle ist bis heute unbekannt. In der Kirche befindet sich heute ein Epitaph mit der Inschrift: "Des Christen Herz auf Rosen geht, wenn's mitten unterm Kreuze steht."

Elisabeth zu Calenberg-Göttingen (1510 - 1558)

Epitaph von Elisabeth zu Calenberg-Göttingen.
Die Prinzessin und Herzögin gilt auch als "Reformationsfürstin". Sie veranlasste die Reformation im heutigen Südniedersachsen. Am 25. Mai 1558 starb sie einsam in Ilmenau. Beigesetzt wurde sie in der hennebergischen Familiengrablege im Kloster Veßra, die nach dem Tod ihrer Tochter 1566 in die St. Ägidien-Kapelle der St. Johannis-Kirche zu Schleusingen verlegt wurde. Der Sockel des von ihren Kindern finanzierten Epitaph des Innsbrucker Bildhauers Siegmund Buchlinger mit ihrem Abbild ist mit einer lateinischen Widmung versehen. Ihre Hände hat sie zum Gebet gefaltet. Das Gesicht ist noch jugendlich, trägt aber derbe Züge. Der Stein hat frei übersetzt folgende Umschrift: "Von Gottes Gnadem Elisabeth: geborene Markgräfin zu Brandenburg. Gräfin und Frau zu Henneberg starb ihres Alters im 48. Jahr 1558." Sie war bekannt unter verschiedenen Namen.

Argula von Grumbach (1492 - 1568)

Wann und wo sie gestorben und begraben wurde, ist noch heute umstritten. Vermutlich starb sie am 23. Juni 1568 in Zeilitzheim. Die Grabstätte der Reformatorin soll sich bei der evangelisch-lutherischen Pfarrkirche St. Sigismund in Zeilitzheim befinden. Eine Gedenkplakette mit ihrem Bild gibt es am Gemeindehaus. Das Schloss, in dem sie gelebt hatte, ist längst durch einen Nachfolgebau ersetzt worden.

Paul Gerhardt (1607 - 1676)

Gedenkplatte an der Berliner Nikolaikirche mit der Liedzeile: "Ermuntert euch und singt mit Schall …"
Paul Gerhardt gilt als einer der bedeutendsten deutschsprachigen Kirchenlieddichter. Das Evangelische Gesangbuch enthält heute 26 Lieder von Gerhardt, darunter etwa "Befiehl du deine Wege". Manche sagen, seine trostspendenden Lieder seien aus der Not des Dreißigjährigen Krieges erwachsen. Gerhardt lebte stets in bescheidenen Verhältnissen. Mit 70 Jahren ist er am 27. Mai 1676 in Lübben im Spreewald gestorben. Am 7. Juni wurde er im Chorraum seiner letzten kirchlichen Wirkungsstätte, in der Nähe des Altars, beigesetzt. Paul Gerhardt habe ein sehr direktes Verhältnis zum Sterben gehabt, sagt Pfarrer Olaf Beier von der Paul-Gerhardt-Kirchengemeinde in Lübben und fügt hinzu: "In seinen Liedtexten hat er das Sterben oft angesprochen, aber nie ohne Hoffnung auf die Einkehr in Gottes Geborgenheit. Er war dankbar für sein Leben und er war sehr erwartungsvoll auf das Kommende. Keine Vertröstung, sondern eine sehr einfühlsame Tröstung aus der Kraft des Glaubens widerspiegeln vieler seiner Texte." 200 Jahre nach Paul Gerhardts Tod wurde an seiner letzten Ruhestätte in Lübben eine Gedenktafel angebracht, die 1976 erneuert wurde. 1907 wurde vor der Kirche ein Denkmal errichtet. Seit 1930 trägt die Paul-Gerhardt-Kirche seinen Namen. Zugleich gestaltete man das Eingangsportal zum Turm der Kirche neu und versah es mit Gerhardts Liedzeile "Alles Ding währt seine Zeit, Gottes Lieb in Ewigkeit".

Dietrich Bonhoeffer (1906 - 1945)

Als die Pferde scheuten, sprang sie, um ihre Kinder zu schützen, vom Wagen, stürzte in einen Wassergraben und zog sich eine Lähmung und eine Erkältung zu, von der sie sich nicht mehr erholte.<br /><br /> Dieser Text stammt aus dem Ökumenischen Heiligenlexikon<br /> von der Webseite <a href='http://www.heiligenlexikon.de/BiographienK/Katharina_von_Bora.htm'>http://www.heiligenlexikon.de/BiographienK/Katharina_von_Bora.htm</a>

Der Theologe und Widerstandskämpfer wurde im Alter von 39 Jahren am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg in Bayern hingerichtet. Hitler selbst erließ am 5. April 1945 den Befehl zu seiner Ermordung. An der St. Matthäus-Kirche in Berlin erinnert eine Gedenktafel daran, dass er dort am 15. November 1931 zum Pfarrer ordiniert wurde. Als Christ hatte er sich mit dem Leben im Glauben intensiv auseinandergesetzt. Sein Glaube ließ ihn unablässig für Frieden und Gerechtigkeit wirken. Auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof, der zur Evangelischen Kirchengemeinde in der Friedrichstadt in Berlin-Mitte gehört, gibt es zudem eine Gedenktafel am Grab seines Bruders Klaus Bonhoeffer. Die Inschrift lautet unter anderem "... erlitten den Tod im Widerstand gegen Unrecht und Gewalt" und "Selig sind, die um Gerechtigkeit willen verfolgt werden, denn das Himmelreich ist ihr" (Matth. 5,10). Die Asche Dietrich Bonhoeffers wurde verstreut.

Johann Hinrich Wichern (1808 - 1881)

Die Grabstätte Wicherns
Der Begründer der Inneren Mission der Evangelischen Kirche starb nach einer Leidenszeit mit Schwäche, Schmerzen und Schlaflosigkeit nach mehreren Schlaganfällen am 7. April 1881 in Hamburg. Dort wurde Wichern auf dem Alten Hammer Friedhof beigesetzt, wo auch viele andere sozial engagierte Hamburger ihre letzte Ruhe gefunden haben. Sein Vermächtnis lautet: "Wenn Gott es beschlossen hat, mich zu sich zu nehmen, so sollt Ihr, meine Lieben, wissen, daß mein einziges Gebet ist, daß ich selig werde, daß ich zu ihm komme und Frieden in ihm finde. Ich habe mich immer zu ihm bekannt, aber in großer Schwachheit. Er wird mir aber meine Sünden vergeben, darauf geht alle meine Hoffnung um seiner Liebe und Liebestat willen, um seines für mich vergossenen Blutes willen."

Albert Schweitzer (1875 - 1965)

Das Grab von Albert Schweitzer
Der Arzt und Theologe Albert Schweitzer ist mit neunzig Jahren am 4. September 1965 in Lambaréné in Französisch-Äquatorialafrika, dem heutigen Gabun, eine halbe Stunde vor Mitternacht gestorben, wo er von 1913 bis 1965 gelebt und sein Hospital gegründet hatte. Nachts hatte sein Herz aufgehört zu schlagen. Die Spitalglocken wurden am nächsten Morgen um sechs Uhr geläutet, um seinen Tod zu verkünden. Am Nachmittag wurde Schweitzer auf dem kleinen Friedhof neben seinem Haus begraben, an der Seite seiner Frau Helene. "In den Gräbern daneben liegen die drei Frauen - Emma Haussknecht, Mathilde Kottmann, Alida Silver -, die ihr Leben ganz dem Werk Schweitzers gewidmet hatten", schreibt Nils Ole Oermann in der Biographie, die er von Albert Schweitzer verfasst hatte. Die letzten Worte, die er über sein Spital gesagt hatte, soll er laut seinem Spital-Nachfolger Walter Munz in seinem gemütlichen Elsässerdialekt gesprochen haben: "Awer es hett doch e Charme, des Spitol, finde ihr nit oi?". Der Tod bedeutete für Albert Schweitzer Rückkehr des menschlichen Geistes in den unendlichen Geist, das endgültige Kommen zu Gott, sagt Professor Werner Zager von der Evangelischen Erwachsenenbildung Worms-Wonnegau.

Dorothee Sölle (1929 - 2003)

Der Grabstein von Dorothee Sölle.
Die evangelische, feministische Theologin und Pazifistin starb am 27. April 2003 im Alter von 73 Jahren am Sonntagmorgen in einem Krankenhaus in Göppingen an den Folgen eines Herzinfarkts. Noch am Vorabend hielt sie einen Vortrag. Ihr Grab ist auf dem Hamburger Friedhof Nienstedten. Die Grabinschrift lautet: "In Deinem Lichte sehen wir das Licht". Verheiratet war sie mit dem Theologen Fulbert Steffensky. Die Lübecker Bischöfin Bärbel Wartenberg-Potter würdigte bei der Trauerfeier in der Hamburger St. Katharinen-Kirche Sölles "prophetische und poetische Stimme". Eines ihrer Lebensthemen sei die biblische Verheißung eines "neuen Himmels und einer neuen Erde" gewesen. Sie habe versucht, "eine neue Sprache für das Sprechen mit Gott zu finden und alte Gottesbilder, zum Beispiel das eines Herrschers, zu demontieren".

Diesen Artikel haben wir am 21. November 2013 veröffentlicht.

Pro und Contra: Die eigene Beerdigung selbst planen

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Zwei Standpunkte zum Umgang mit der eigenen Bestattung
Sterben

Foto: iStockphoto/Jason Salmon

Schlicht oder prunkvoll? Klassisch oder modern? Orgel oder Streichquartett? Wer soll die Beerdigung planen?

Was wiegt schwerer: Das Selbstbestimmungsrecht des Menschen über den Tod hinaus - oder eine adäquate Form der Trauergestaltung für die Hinterbliebenen? Argumente für und gegen das Vorbereiten und Organisieren der eigenen Beerdigung.

Pro: Ein Abschied ohne Stress und Unsicherheit

von Hanno Terbuyken, Portalleiter von evangelisch.de

Eine Beerdigung zu planen ist nicht einfach. Der Gottesdienst und die Beerdigung, die Gäste, das Trauermahl, alles muss organsiert werden. Die Hinterbliebenen müssen mit dem Bestatter verhandeln, den Sarg aussuchen, die Musik wählen, die Blumen bestellen, die Grabpflege organisieren, und dann kommt noch die Verwaltung des Nachlasses dazu.

Nun stellen Sie sich vor, sie konnten sich nicht entscheiden. Die Schwester des Hinterbliebenen will lieber Händel als Bach, der Bruder fordert ein Trauerherz statt Sargdecke, zwei verschiedene beste Freunde wollen die Grabrede halten, und zu allem Überfluss wissen Sie auch noch, dass der Verstorbene den Organisten, der sonst immer in der Kirche orgelt, überhaupt nicht mochte.

"Das hätte ihm aber gar nicht gefallen", dieser Satz kann die Zeit der Trauer und des Abschieds ruinieren. Der Trauergottesdienst ist für die Angehörigen da, aber genau deshalb sollte er so sein, dass ich als Hinterbliebener mir sagen kann: Ja, das passt, das hätte der Verstorbene auch schön gefunden, denn dieser Gedanke beruhigt. Die Trauer wird dann nicht von der Sorge um die "Richtigkeit" der Trauerfeier eingerahmt.

Wenn man geliebte Personen zu Grabe trägt, kennt man sie in der Regel sehr gut, gut genug, um in ruhigen Zeiten sich auch eine schöne, passende Beerdigung für sie auszudenken. Aber in dem emotionalen Trubel der Zeit nach dem Tod eines geliebten Menschen ist das nicht mehr so einfach. Wenn die Gewissensbisse an einem selbst nagen, ob man das nun richtig gemacht hat, weil alles in wenigen Tagen komplett organisiert werden musste - das ließe sich verhindern.

Denn gerade wenn der Tod nicht plötzlich und unerwartet kommt, sondern absehbar am Ende eines Lebens steht, kann man vorher darüber reden. Das macht es den Angehörigen leichter, die Zeit nach dem Tod ihres Nächsten zu bewältigen. Es nimmt ihnen Stress und Unsicherheit.

Die Beschäftigung mit der eigenen Beerdigung ist außerdem eine Form von Abschied, eine gemeinsame Vorbereitung auf die Zeit, wenn sich das Leben durch den Tod so radikal verändert. Für mich ist der Gedanke tröstlich, zu wissen: Hier kommt etwas auf uns zu, das wir als Familie, als Freunde, als Partner gemeinsam bewältigen können.

Am Ende steht dann eine Trauerfeier, die unvergesslich ist, weil sie eben nicht nur die Hinterbliebenen wiederspiegelt. Wer seine eigene Beerdigung plant, am besten gemeinsam mit den Angehörigen, legt auch ein bisschen von sich selbst in diese Feier. Das ist schön, denn es bringt den Verstorbenen auf unnachahmliche Weise nahe. "Hätte es ihm gefallen?" Darüber muss man dann nicht spekulieren. Sondern man weiß: Es hätte ihm gefallen. Was bleibt, ist eine unvergessliche Erinnerung - an einen Abschied ohne Stress und ohne Unsicherheit.

Contra: Die Beerdigung ist zuerst für die Trauernden

von Claudius Grigat, freier Mitarbeiter bei evangelisch.de

"Was tun im Todesfall?"… Hm, vielleicht einfach tot sein? Oder welche Aufgaben warten dann noch in dieser Welt? Scheinbar eine Menge, denn "Was tun im Todesfall?" -  so heißt "Ein praktischer Ratgeber" in Buchform, der mittlerweile vergriffen ist. Also scheint der Bedarf wohl groß zu sein.

Aber im Ernst: Es gibt sie ja, die Menschen, die schon im Leben nichts aus der Hand gegeben haben, alles bis ins kleinste Detail durchgeplant und jedes Risiko abgesichert haben. Die legen dann auch gerne fest, wer was an der Trauerfeier sagen soll, welche Lieder gesungen werden und welchen Kuchen es beim Beerdigungskaffee gibt - kurz: wie die Anderen zu trauern haben. Was aber, wenn diese Anderen vielleicht ein ganz anderes Lied mit dem Verstorbenen verbinden und keinen Streuselkuchen mögen?

Manchmal gehen die Vorgaben auch noch weiter: 'Auf meiner Beerdigung soll gelacht werden, ich will, dass das eine große Party wird!' Und wenn einigen Gästen gar nicht zum Lachen zumute ist…?

Und manchmal werden die Hinterbiebenen auch einfach ausgeschlossen, wenn zum Beispiel eine anonyme Urnenbestattung verfügt wird.

Was bei alledem aber oft nicht genug bedacht wird: Trauerrituale, Andacht und Beerdigung, soziale Formen des Umgangs mit Verlust – all das ist doch in erster Linie für die Weiterlebenden da und wichtig. Der Verstorbene bekommt davon nichts mehr mit. Was bitte nützt es der Asche des Seemanns, dass sie vor Kap Hoorn verstreut wird, wenn seine Witwe keinen Ort zum Trauern und Erinnern hat? Im Tod kann es doch kaum noch um Selbstverwirklichung gehen!

Dazu kommt: Das Organisieren der Beerdigung eines geliebten Menschen, so belastend es auch sein mag, kann auch etwas Positives haben: Man hat in dieser schwierigen Zeit eine Aufgabe, an der man sich festhalten kann, die man mit anderen zusammen bewältigen kann. Etwas, das man noch für den Verstorbenen, vor allem aber auch für sich und die anderen Trauernden tun kann. Was, wenn der Pfarrer sagen würde: "Ein Beerdigungsgespräch? Das können wir uns sparen, die Traueransprache liegt seit Monaten in der Schublade - alles schon abgeklärt..."

Mit gutem Grund richten die kirchlichen Agenden für Bestattungen den Fokus mehr auf die Trauergemeinde als auf den Verstorbenen. Den Hinterbliebenen gilt es, Trost zu spenden und Hoffnung zu schenken.

"Was also tun im Todesfall?" Selbstverständlich ist es gut, vorher mit den nahestehenden Menschen über die letzten Dinge zu sprechen, sich zu verständigen. Für mich wünsche ich mir aber einfach auch das Gottvertrauen, das Jesus in Mt. 6,34 bereits für das Leben fordert: "Quält euch also nicht mit Gedanken an morgen; der morgige Tag wird für sich selber sorgen."

Dieser Text erschien erstmals am 28. November 2012 auf evangelisch.de.

So hilft die Kirche Flüchtlingen in Bestattungsfragen

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Nächstenliebe für Tote in der Fremde
Nächstenliebe für Tote in der Fremde

Foto: David Baltzer/Zenit/laif

Blumen beim "Marsch der Entschlossenen" in Berlin für verstorbene Flüchtlinge.

Fluchten gab es schon immer. Und schon immer sterben Menschen auf der Flucht fern ihrer Heimat. Evangelische Gemeinden, Pastoren, Pfarrerinnen und Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit stehen hier vor großen Herausforderungen. Dabei gibt es Möglichkeiten zu helfen.

Der Tod in der Fremde ist in den Medien heute vor allem präsent, wenn es um die Opfer der Flucht geht; also um die Menschen, die beim Versuch, das Mittelmeer zu überqueren oder auf dem Landweg ihre Reise fortzusetzen, zu Tausenden ihr Leben verlieren. Wir alle haben das Bild des ertrunkenen dreijährigen syrischen Flüchtlingsjungen Aylan Kurdi vor Augen, dessen Leichnam nach dem Ertrinken an der türkischen Mittelmeerküste angeschwemmt wurde. Wir sehen das Kind tot, bekleidet, seine Schuhe noch an den Füßen, auf dem Bauch im nassen Sand liegend. Das Bild hat sehr viele Menschen bewegt. In Frankfurt, im Osthafen an einer Mainbrücke, setzten die Künstler Justus "Cor" Becker und Oğuz Şen Anfang März 2016 die Geschehnisse in einem 120 Quadratmeter großem Graffitigemälde um, das allerdings Mitte März beschmiert wurde. Das veranlasste den Künstler Oğuz Şen, Ende Juni 2016 ein anderes Bildthema zu wählen. Aylan wird nun lächelnd dargestellt, umgeben von Teddybären, die ihn vor den Wellen beschützen. Damit wird das Thema  gleichsam zu einem "positiven" Ausgang und an ein "Ende" geführt. Die öffentliche Diskussion kam zur Ruhe, die Beschädigungen hörten auf.

Graffitigemälde (links) des toten Flüchtlingsjungen Aylan Kurdi in Frankfurt am Main und die Neuinterpreation (rechts) und nach den Beschmierungen.

Die Todesopfer der Flucht bleiben ein mediales Thema. Was aber passiert mit Geflüchteten, die bei uns in Deutschland sterben? Man könnte fast den Eindruck haben, dass zur medial vermittelten Willkommenskultur der Tod nicht so recht passen will. Dagmar Apel, Referentin für Migration und Integration und Pfarrerin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) vom Berliner Missionswerk – Ökumenisches Zentrum, erkennt einen Grund in der Fixierung auf das Leben, warum das Thema Tod und Trauer in unserer Gesellschaft keine große Rolle spielt, warum sich unsere Gesellschaft sehr schwer mit dem Tod tut. In der Bibel sagt Jesus: "Lass die Toten ihre Toten begraben (Lk 9,60)". Mit anderen Worten: Kümmert Euch um die Lebenden, das Leben ist wichtig. "Weil wir den Tod nicht wahrnehmen, ist es für uns Menschen schwer, das Leben zu schätzen", gibt Apel zu bedenken.

Kirchen können den Tod ins Leben holen

Weder Tote noch Flüchtlinge haben eine große Lobby in unserer Gesellschaft, schon gar nicht tote Flüchtlinge. Daher sind Institutionen und Organisationen notwendig, die sich verantwortlich sehen, die den öffentlichen Diskurs kanalisieren und seine Lenkung als ihre Aufgabe betrachten. Dies ist einerseits der Staat in Form seiner Kommunen und kommunalen Verwaltungen. Aber eine solche Institution ist auch die Kirche: die Evangelische Kirche in Deutschland, die Katholische Kirche in Deutschland und die anderen hier vertretenen Glaubensgemeinschaften. Die EKD hat einen Flüchtlingsbeauftragten eingesetzt. Einzelne Landeskirchen beschäftigen auf der Regionalebene auch Flüchtlingsseelsorger, die seelische Unterstützung in Notfällen anbieten können.

Denn Trauerbewältigung  ist wichtig für die Integration der Menschen. Nur wer angemessen trauert, kann wieder neue Kraft schöpfen, die einem die Integration in einem fremden Land abverlangt. Dass die Trauer über den Verlust eines Menschen sowohl ein Beratungs- und Therapieinhalt bei den Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer als auch in psychosozialen Beratungsstellen sein solle, empfiehlt Ute Burbach-Tasso, Pressesprecherin der Diakonie Deutschland. Auch eine kollektive Trauer könne laut Dagmar Apel von der EKBO helfen, etwa wie sie durch die Schweigeminute auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag 2017 in Berlin gezeigt wurde und durch die einzelnen evangelischen und katholischen Kirchengemeinden der unterschiedlichen Landeskirchen und christlichen Konfessionen gefeierten Erinnerungsgottesdienste ausgedrückt wird.

Schweigeminute auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Berlin.

In Deutschland gibt es drei sogenannte "Tage des Flüchtlings" im Jahr, die die Situation der Flüchtlinge betrachten. So findet am 19. Januar ein kirchlicher Gedenktag für Flüchtlinge und Migranten statt, am 20. Juni ist der von den Vereinten Nationen eingerichtete Weltflüchtlingstag und am 29. September wird der im Rahmen der Interkulturellen Woche stattfindende Tag des Flüchtlings unter dem Motto "Flüchtlingsrechte sind Menschenrechte" abgehalten. Die an diesen Tagen gefeierten Gottesdienste schaffen zusätzlich einen Raum für das Anzünden von Kerzen und Sprechen von Gebeten in Erinnerung an die Toten. Zusätzlich stehen die jeweiligen Pastorinnen und Pastoren für Seelsorgegespräche zur Verfügung.

Volker Rahn, Pressesprecher der evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), betrachtet den Tod innerhalb der evangelischen Kirche als nicht tabuisiert, im Gegenteil. Er sagt: "Das Thema Tod und  Sterben ist ein beherrschendes Thema aller, die zu uns flüchten. Sie kommen ja teilweise selbst mit traumatischen Todeserfahrungen. Entsprechend wird es auch von allen, die mit Hilfesuchenden zu tun haben, thematisiert. Der Tod ist also kein Tabu-, sondern trauriges Alltagsthema in der Flüchtlingsarbeit. Sie bleiben ja auch bei uns verbunden mit den Menschen aus ihren Herkunftsländern, aus denen sie fast täglich Todesnachrichten hören. Nur: Das ist inzwischen ein vertiefendes Thema der professionellen Helfer in der zweiten Phase der Ankunft und eher kein Thema mehr der Ersthilfe in den Gemeinden."

Statistiken zeigen, dass vor allem gesunde Menschen, Familien und unbegleitete Jugendliche als Flüchtlinge nach Europa kommen. Ältere Flüchtlinge und Senioren, bei denen das Thema Krankheit und auch Tod eher in der öffentlichen Wahrnehmung seinen Platz hätte, können die Strapazen der Flucht nur zu einem sehr geringen Teil auf sich nehmen. Auf die Frage, welche Erfahrungen die evangelische Kirche bisher mit der Bestattung von Flüchtlingen macht, gibt es laut Manfred Rekowski, dem Flüchtlingsbeauftragen der EKD, bislang keine aussagekräftige Statistik. "Man kann davon ausgehen, dass geflüchtete Menschen bereits hier gestorben sind; es liegen uns jedoch noch keine Zahlen vor, und es sind noch keine konkreten Erfahrungen mit Sterbefällen erfasst", sagt er und ergänzt: "Dies wird sich zukünftig, je länger Menschen bleiben, sicher ändern."

Die Kirche ist für die Menschen da

Wie also positioniert sich die Evangelische Kirche in Deutschland zu Flüchtlingen, die auf ihrer Flucht fern ihrer Heimat hier im Land sterben? Hierbei kann man zwischen den Institutionen der EKD, wie der Diakonie, den Landeskirchen und ihren Beauftragten und der Basis der Gläubigen unterscheiden, also den örtlichen Gemeinden, den Pfarrerinnen und Pfarrern und den in der Flüchtlingshilfe engagierten Gemeindemitgliedern. Laut Ute Burbach-Tasso, Pressesprecherin der Diakonie Deutschland, haben die einzelnen Krankenhäuser, auch diakonische, und Sozialämter eigene Vorgehensweisen etabliert, um mit Todesfällen dieser Art umzugehen. Möglich sei, dass diakonische Werke in Absprache mit Sozialämtern und Migrationsfachdiensten in Todesfällen helfen.  Angehörige könnten sich an die Migrationsfachdienste wenden. Allerdings kämen dort offenbar relativ wenige Fragen zum Thema Bestattung auf, dies betrifft sowohl Migranten, zum Beispiel ehemalige Gastarbeiter, als auch Flüchtlinge.

Die Perspektive der Katholischen Kirche fasst Matthias Kopp, Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz, zusammen: "Für katholische Geflüchtete sind die Leitlinien hilfreich, die die deutschen Bischöfe in ihrem Wort 'Tote begraben und Trauernde trösten' (Die deutschen Bischöfe 81; 2005, aktualisiert 2017) formuliert haben. Für alle Fragen, die eine Bestattung betreffen, ist zunächst die jeweilige Territorialpfarrei Ansprechpartner. Sofern ein Testament vorliegt oder Angehörige in Deutschland leben beziehungsweise in der Heimat bekannt sind, sollen die Wünsche des Verstorbenen beziehungsweise der Angehörigen hinsichtlich des Begräbnisses soweit wie möglich berücksichtigt werden. Ob eine Rückführung des Verstorbenen in das Heimatland geschehen kann, lässt sich nur im Einzelfall entscheiden. Für die meisten aus politischen Gründen Geflüchteten ist das wohl eher keine Option. Wenn eine Bestattung in Deutschland erfolgt, prüfen die Territorialpfarreien, ob diese in einer bestimmten Sprache oder in einem bestimmten katholischen unierten Ritus erfolgen soll und ob es hierfür einen verfügbaren entsprechenden Seelsorger gibt." Für Angehörige anderer Religionen sieht er zuallererst die jeweiligen Glaubensgemeinschaften in der Verantwortung.

Geld für ein würdevolles Begräbnis

Insbesondere steht die Frage der Kostenübernahme im Raum, vor allem wenn der Wunsch besteht, im Land der Geburt bestattet zu werden. Grundsätzlich tragen die Angehörigen hier die finanzielle Last. Hinsichtlich der Bestattungskosten geht der Flüchtlingsbeauftragte der EKD grundsätzlich von einer Anfrage beim jeweils zuständigen Sozialamt aus, wenn kein Kontakt zu Angehörigen hergestellt werden konnte oder die Familien nicht in der Lage sind, die Bestattungskosten zu übernehmen.  In der Regel kommen die Kommunen bei einem Bestattungsfall auf. "Eine Sozialbestattung bedeutet, dass die Kosten für eine Bestattung von dem für den Sterbeort zuständigen Sozialamt übernommen werden", informiert Stefanie Schneider, Pressesprecherin vom Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie in Mainz. Und in Bayern heißt es zur Rechtslage von Flüchtlingen: "Vielmehr ist die Gemeinde zuständig, in deren Gebiet ein Flüchtling verstirbt oder tot aufgefunden wird. Diese muss, wenn eine ordnungsgemäße Bestattung nicht anderweitig sichergestellt ist, die Bestattung auf ihrem Gemeindefriedhof zulassen. Sind keine Angehörigen vorhanden oder ermittelbar, muss sie selbst für die Bestattung sorgen (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG)."

André Rieb vom hessischen Regierungspräsidium Gießen, Abteilungsbüro Abteilung VII – Flüchtlingsangelegenheiten, Erstaufnahmeeinrichtung und Integration rät, dass sich Angehörige eines verstorbenen Flüchtlings bei einem Todesfall zuerst an die Mitarbeiter des Regierungspräsidiums Gießen wenden sollen, die alle nötigen Schritte einleiten. Er teilt mit: "Auch Trauerbegleitung und Kontakt zum Bestattungsunternehmen werden von erfahrenen Sozialarbeitern oder Mitarbeitern des Regierungspräsidiums Gießen übernommen beziehungsweise veranlasst. Sofern es keine Hinterbliebenen gibt, wird entsprechend der Religionszugehörigkeit bestattet. Sofern die Hinterbliebenen in einer Erstaufnahmeeinrichtung wohnen und nicht über die entsprechenden finanziellen Mittel verfügen, übernimmt das Land Hessen die Kosten einer Erd- oder Feuerbestattung nach dem ortsüblichen Satz eines Sozialbegräbnisses auf dem nächstgelegenen Friedhof. Die Einzelheiten werden von den Sozialarbeitern in den Einrichtungen organisiert und in die Wege geleitet. Eine Überführung ist möglich, wenn die Angehörigen dies wünschen. Diese Kosten können allerdings nicht vom Land Hessen übernommen werden." Dominik Ehrentraut, stellvertretender Pressesprecher des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales in Berlin, sagt: "Übernahmefähig sind nur die Kosten für eine menschenwürdige Bestattung einfacher Art, nicht hingegen Kosten für die Überführung in das Heimatland, Todesanzeigen, Danksagungen oder für die Trauerfeier."

Es zeigen sich aber auch einzelne Fälle besonderer Solidarität. So wurden im Rahmen einer Trauerfeier im niedersächsischen Dörverden-Westen Spenden für eine Überführung des Leichnams eines 24-jährigen Eritreers zu seiner in Äthiopien lebenden Familie gesammelt. Der 24-jährige Flüchtling war im April 2015 in einer Verdener Diskothek schwer verletzt worden und starb in einer Klinik in Bremen. "Zunächst habe man überhaupt keine Kontakte zu Angehörigen herstellen können. Dann wurde die Tante ausfindig gemacht, die dann selbst nach Westen kam. Es musste ein Bestatter gefunden werden, der die Überführung ins Ausland vornehmen konnte, und diverse Gespräche mit Botschaften mussten geführt werden", schreibt die Kreiszeitung am 7. August 2017. Die Mutter des toten Flüchtlings sei dankbar, weil sie so die Möglichkeit bekam, angemessen und würdevoll Abschied von ihrem Sohn zu nehmen. Ein weiteres Beispiel besonderer Solidarität ist der Fall eines afrikanischen Flüchtlings im Gebiet der EKBO, der sich aufgrund schwerer Depressionen das Leben nahm. Die Kosten für die Rückführung des Leichnams wurden durch die Landeskirche teilweise übernommen. Dagmar Apel von der EKBO erzählt, dass dies erst nach längerer Diskussion durchzusetzen war. Sie findet wichtig, dass ein Mensch dort beigesetzt wird, wo er gelebt hat, wo er glücklich war. Die Achtsamkeit in der Durchführung der Bestattung sei auch ein Zeichen für Angehörige und Pflegende, dass wir Menschen den Tod achten. "Es ist wichtig, dass wir Sensibilität und Unterstützung zeigen. Indem wir die Toten ehren, ehren wir auch die Lebenden", sagt Apel.

Engagement und Solidarität in den Gemeinden

Wann erfährt die Öffentlichkeit, wenn in Deutschland Flüchtlinge sterben? Journalistisch berichtet werden Fälle von Gewalt. Und Todesfälle dieser Art bewegen auch evangelische Gemeinden vor Ort. Denn kirchliches Engagement findet neben den Institutionen vor allem auf der Gemeindeebene statt. Hier sind es die dramatischen Einzelfälle von zu Tode gekommen Schutzsuchenden, die öffentlich wahrgenommen werden und zum Handeln bewegen. In der Silvesternacht 2016/17 wurde der 15-jährige Syrer Odai K. in Bremen-Lüssum in einem Partyraum eines Lokals von drei Angreifern totgeschlagen. Pastorin Ulrike Florian aus Lüssum, sagt, dass sich ihre evangelische Gemeinde für die Flüchtlinge vor Ort engagiert. Die Pfarrerin stellt aber auch klar, dass sie bei Flüchtlingsbestattungen allerdings bislang nicht um Hilfe gebeten werden. Generell hätte Florian sich bereits schon vor dem gewaltsamen Tod von Odai ein deutlicheres Engagement und einen Schulterschluss mit den muslimischen Gemeinden gewünscht. Im Todesfall von Odai K. haben sich die muslimischen Gemeinden um die Bestattung gekümmert. Der Tod des Jungen hat die Pastorin sehr bewegt. "Ich hätte darüber nicht schweigen können", schlussfolgert Pastorin Ulrike Florian. Im evangelischen Gottesdienst der Gemeinde wurde mehrfach, zum Beispiel in der Predigt und in den Fürbitten, an Odai erinnert. Der Todesfall war in der Gemeinde Thema und vor allem auch im evangelischen Kindergarten, den auch einer der Täter besucht hatte und nun Kinder der Täterfamilien besuchten. "Für uns ist wichtig zu verdeutlichen, dass wir keine Unterschiede zwischen den Menschen machen. Wir wollen auch keine Unterschiede machen zwischen Kindern von Tätern und Kindern von Opfern", sagt die Pastorin. Im Rahmen des Elternabends des Kindergartens bietet sie den Eltern der meist Arabisch sprechenden Flüchtlingsfamilien generelle seelsorgerische Hilfe an. Angehörigen aller Religionen seien zudem beim evangelischen Gottesdienst herzlich willkommen.

Aber auch die kirchlichen Amtsinhaber und die sich engagierenden Gemeindemitglieder werden manchmal an die Grenze ihrer Möglichkeiten und an die Grenzen ihrer seelischen Belastbarkeit geführt. Zumindest auf der organisatorischen Ebene können Pfarrer, Seelsorgerinnen und Ehrenamtliche durch Stellen der EKD, wie durch die Beauftragten der Landeskirchen für Interkulturelle Arbeit und durch die Islam-Beauftragten, Informationen und Hilfe für ihr Anliegen erhalten.

Die Kirche als Vermittlerin

Für den Flüchtlingsbeauftragen der EKD, Manfred Rekowski, ist die Frage zentral, an wen sich die Betroffenen in einem Bestattungsfall vor Ort wenden sollen. Hier sieht er die Pfarrerinnen und Pfarrer als erste Anlaufstelle: "Sie können Vermittlungsdienste leisten, falls nicht ohnehin schon Kontakt zur Gemeinde besteht, zum Beispiel durch einen Unterstützerkreis für Geflüchtete." Kirchliche Stellen und auch die Gemeinden vor Ort könnten, falls gewünscht, beratend zur Seite stehen und wiederum Kontakte zu Ämtern oder weiteren Verwaltungsstellen herstellen. Teilweise stelle sich die Frage nach einer religiösen Bestattung. Hier könne dann unterstützt werden, Zugang zu einer bestimmten zum Beispiel kirchlichen oder muslimischen Gemeinde zu finden, sagt Burbach-Tasso, Pressesprecherin der Diakonie Deutschland. Auch zur Vermeidung interreligiöser Missverständnisse, rät Rekowski, Flüchtlingsbeauftragter der EKD, müssten zunächst die religiösen und kulturellen Hintergründe des Verstorbenen geklärt werden. Auch  hier gehe es vor allem um die Vermittlung und Herstellung von Kontakten, wobei Vertreter kirchlicher Institutionen und Kirchengemeinden aktiv werden können, Kontakte zur Familie oder zu Freunden des oder der Verstorbenen oder aber auch zu Religionsvertretern der jeweiligen Glaubensrichtung herzustellen. Hier würden auch die Islam- oder Weltanschauungsbeauftragen der Landeskirchen helfen, sagt Rekowski. 

Auch Volker Rahn von der EKHN sieht ein gut gespanntes, speziell auf Flüchtlinge abgestimmtes, teilweise professionelles Netz in der Betreuung. Er sagt: "Hier hat der Tod seinen Platz. Das Zauberwort ist hier Kultursensibilität. Die ist aber nichts Neues. Beispielsweise ist sie Alltag in der ökumenischen Notfallseelsorge. Dort gehört es zur Grundausbildung, beispielsweise muslimische Rituale zu kennen und auch die besonderen geschlechtlichen Sensibilitäten im Todesfall. Möglichst geht eine Frau zu einer Frau und ein Mann zu einem Mann, wenn eine Todesnachricht überbracht werden muss. Dann kann man sich nämlich auch mal in den Arm nehmen. Aber auch hier gilt: Sterbefälle unter Asylsuchenden bleiben die absolute Ausnahme."


Kolumbarien und Urnenkirchen

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Urnen- und Grabeskirchen in Deutschland

Seit 2004 die erste Urnenkirche eingerichtet wurde, hat dieses Konzept einen regelrechten Boom erlebt. Viele Kirchen werden zu Kolumbarien umgewidmet - und so vor dem Abriss oder einer anderen Umnutzung bewahrt. Die Nachfrage ist groß, die Erfahrungen überwiegend positiv.

Diese Bildergalerie erschien erstmals am 25. November 2013 auf evangelisch.de

Billig unter die Erde

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anonymes Gräberfeld

Foto: picture alliance / dpa/Ralf Hirschberger

Ein anonymes Gräberfeld.

Wer keine Verwandten hat, wird dort bestattet, wo es am wenigsten kostet. Bertram von Boxberg kritisiert in einem Gastbeitrag, dass eine ordnungsbehördliche Beisetzung nicht selbstverständlich auf einem Friedhof in der Nähe des Wohnortes stattfindet. So geraten die Toten schnell in Vergessenheit.

Die alte Frau Krüger von gegenüber ist gestorben. Seit über 17 Jahren haben wir mit ihr in dem Berliner Altbau Tür an Tür gewohnt. Sie war alt, ein wenig schrullig aber alle im Haus haben hat sie gemocht irgendwie. Keiner der Nachbarn weiß, wo sie nun bestattet wird. Hatte Sie denn überhaupt noch jemand? Kinder hatte sie wohl keine. Nichten, Neffen? Gern würden wir mit den Nachbarn zur Beisetzung gehen. Ein letztes Geleit für Frau Krüger. Gläubig war sie, das hat sie mir mal erhält, aber in unserer Gemeinde habe ich sie nie gesehen. Vielleicht findet sie ja ihre letzte Ruhe auf einem der Friedhöfe in unserer Nachbarschaft.

In Berlin ist nämlich immer und überall ein Friedhof in der Nähe; über 200 Friedhöfe gibt es in der Hauptstadt. Das wäre schön, wenn Frau Krüger auf einem der Friedhöfe in der Nähe bestattet werden würde. Da würde man öfter mal vorbei kommen können, wenn man sowieso mal wieder über den Friedhof geht, weil es da im Sommer so entspannend ruhig und garantiert hundefrei ist. Dann könnte man auch ein Blümchen für Frau Krüger mitbringen oder ihr einen kleinen Engel auf ihr Grab stellen; sie hatte doch Engel so gern. Aber wo wird sie begraben?

Keiner wird Frau Krügers Grab je besuchen. Denn dass Frau Krüger in Wohnortnähe beigesetzt wird, ist recht unwahrscheinlich, trotz der 200 Friedhöfe in Berlin. Wenn Frau Krüger keine nahen Verwandten hat, die sich um die Beisetzung kümmern, kümmert sich von Rechts wegen das Bezirksamt um die Beisetzung von Frau Krüger. Das nennt sich dann eine "ordnungsbehördliche Bestattung" und kommt immer dann zur Anwendung, wenn keine sogenannten Bestattungspflichtigen ermittelt werden können. Vor einigen Jahren erzählte der britische Film "Mr. May" eindrucksvoll eine solche Geschichte. Wer zu den Bestattungspflichtigen gehört, regeln die Bundesländer, zumeist sind es Kinder, Eltern, Nichten und Neffen der Verstorbenen. In Berlin sind die Gesundheitsämter für die Ordnungsbehördlichen Bestattungen verantwortlich. Sie beauftragen ein Bestattungsinstitut, das die Beisetzung durchführt. Wenn Frau Krüger nicht ausdrücklich verfügt hat, dass sie eine Erdbestattung möchte, wird ihr Leichnam kremiert und es findet eine Urnenbeisetzung statt. Warum aber findet diese Urnenbeisetzung nicht auf einem Friedhof in der Nähe des letzten Wohnortes statt? Zumindest in ihrem Bezirk, wenn das Bezirksamt schon ihre Beisetzung bezahlt? Das Bezirksamt  ist angehalten, für die ordnungsbehördlichen Bestattungen das kostengünstigste Angebot an zunehmen.

Wenn sich nämlich nach der Beisetzung doch noch Angehörige von Frau Krüger melden, würde das Bezirksamt die Bestattungskosten von ihnen zurückverlangen. Wenn nun aber nicht das kostengünstigste Angebot genommen wurde, könnten die Angehörigen dagegen Einspruch einlegen. Verpflichtet wären sie nur für die Erstattung der Kosten für das günstigste Angebot. Deswegen wird das - nennen wir es ruhig so - billigste Bestattungsunternehmen beauftragt, Frau Krüger unter die Erde zu bringen. Aber auch die Friedhöfe haben unterschiedliche Gebühren. Friedhofsträger sind die Kommunen sowie die Evangelische und die Katholische Kirche. Die letzte Ruhe wird Frau Krüger auf dem Friedhof finden, auf dem die einfachste Bestattungsform, in der Regel ein Urnenreihengrab, am billigsten ist. Dass dieser Friedhof in der Nähe ihrer letzten Wohnung liegt, ist höchst unwahrscheinlich. Frau Krüger wird irgendwo in den Weiten der Hauptstadt ihre letzte Ruhe finden. Nachbarn werden niemals dort vorbei kommen und sonst hatte sie doch keinen mehr. Frau Krüger wird schnell vergessen sein und den kleinen Engel wird ihr auch keiner aufs Grab legen.

Eine Beisetzung aus dem Leichenwagen heraus soll es nicht geben

Eines ist vollkommen ausgeschlossen: Dass Frau Krüger ihre letzte Ruhe auf einem evangelischen Kirchhof in Berlin findet, obwohl die evangelische Kirche dort 112 Kirchhöfe betreibt. Das hat einen einfachen Grund: Die evangelische Kirche Berlin Brandenburg schlesische Oberlausitz (EKBO) schreibt für ihre Kirchhöfe vor, dass vor der Beisetzung die Urne oder der Sarg für 20 Minuten in der Kapelle stehen muss. Es ist egal, ob es eine Trauerfeuer gibt oder nicht, egal ob jemand kommt oder nicht, egal ob der Verstorbene christlichen, muslimischen oder jüdischen Glaubens war, die Kapellennutzung ist obligatorisch. Diese Regel ist eigentlich sehr schön, denn es soll vor der Beisetzung zumindest die Möglichkeit der Besinnung und der inneren Einkehr geschaffen werden. Eine Beisetzung aus dem Leichenwagen heraus soll es nicht geben, und das ist gut so.

Das Problem: Für die obligatorische Nutzung der Kapelle müssen die evangelischen Kirchhöfe eine Gebühr von etwa 50 Euro erheben. Damit sind Beisetzungen auf Evangelischen Kirchhöfe nicht mehr am kostengünstigsten, können ordnungsbehördliche Bestattungen dort eigentlich nicht durchgeführt werden. Es gibt evangelische Gemeinden, die darum kämpfen müssen, dass verstorbene Gemeindeglieder, die ordnungsbehördlich bestattet werden, ihre letzte Ruhe auf dem gemeindeeigenen Kirchhof finden. Eine absurde Situation.

Menschen haben ein Recht auf ein würdiges Gedenken

Gerade für Menschen, die ordnungsbehördlich bestattet werden, wäre ein Friedhof in der Nähe ihrer letzten Wohnung wichtig. Sie haben keine Angehörigen, die Menschen in ihrem Wohnumfeld waren oftmals die einzigen sozialen Kontakte. Oft haben diese Menschen Jahrzehnte lang in ihrem Kiez gewohnt, man kannte sie in der Nachbarschaft, traf sie in den kleinen Geschäften. Auch Menschen die keine nahen Verwandten mehr haben, haben ein Recht auf ein würdiges Gedenken. Friedhöfe sind Orte für diese Erinnerung. Dieses Erinnern funktioniert aber nur, wenn Menschen, die die Verstorbenen gekannt haben, diese Orte besuchen können. Das funktioniert nicht, wenn die Verstorbenen irgendwo begraben werden, wo es gerade am kostengünstigsten ist. So entstehen auf ein paar wenigen Friedhöfen mit günstigen Gebühren riesige Gräberfelder für ordnungsbehördliche Beisetzungen. Es ist unwürdig, wenn Verstorbene, die keine Angehörigen mehr haben, nicht zumindest in dem Bezirk beigesetzt werden können, in dem sie gelebt haben. Und das wegen ein paar Euro mehr oder weniger.

Es sind keine Einzelfälle, die Zahl der ordnungsbehördlichen Bestattungen werden bundesweit auf 23.000 pro Jahr geschätzt, Tendenz steigend. Ursache hierfür sind die Auflösungserscheinungen intakter Familienverbände und die Anonymisierung in den Großstädten. Es wäre dringend geboten, dass sich die kommunalen und kirchlichen Träger der Berliner Friedhöfe auf eine einheitliche Gebühr für ordnungbehödliche Bestattungen verständigen. Dann würde Frau Krüger ihre letzte Ruhe auf dem Kirchhof ein paar Straßen weiter finden können. Dann könnten wir sie besuchen und hin und wieder eine Blume mitbringen, wenn wir das nächste Mal dem Kirchhof sind. Dann würde sie nicht so schnell vergessen sein.

Studie: Urnenbegräbnisse in Kirchen sind noch neuer Trend

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In Deutschland gibt es rund 40 Begräbnisstätten, in denen die Urnen etwa in Wänden oder Stelen ihren Platz finden - oft werden dafür nicht mehr benötigte Kirchen neu genutzt. Was früher nur Herrschern, Adligen und hohen Geistlichen vorbehalten war, gibt's jetzt für jeden.

Urnenbegräbnisstätten innerhalb von Kirchen sind nach einer Studie der Universität Rostock immer noch ein neuer Trend. Die Zahl der Menschen, die sich für eine letzte Ruhestätte in den sogenannten Kolumbarien entscheiden, liege bisher noch in einem geringen Bereich, sagte der Rostocker Theologieprofessor Thomas Klie am Freitag in Hannover. "In der Regel sind es gebildete Menschen, die sich lange mit ihrem Tod beschäftigt und bewusst für eine solche Grabstätte entschieden haben." Ausschlaggebend sei für viele ein biografischer Bezug zu der jeweiligen Kirche, aber auch das Gefühl, in einem ordentlichen, geschützten und durch Veranstaltungen noch belebten Raum bestattet zu werden.

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Kolumbarien und Urnenkirchen
Kolumbarien und Urnenkirchen

In Deutschland gibt es nach Angaben der Wissenschaftler rund 40 Begräbnisstätten, in denen die Urnen etwa in Wänden oder Stelen ihren Platz finden. Oftmals werden dabei nicht mehr benötigte Kirchen neu genutzt. Die Rostocker Wissenschaftler haben für die von der hannoverschen Hanns-Lilje-Stiftung geförderte Studie in vier niedersächsischen Kolumbarien unter anderem Angehörige der Verstorbenen befragt oder Menschen, die sich bereits zu Lebzeiten für die Bestattung ihrer Urne in einer Kirche entschieden haben.

In 23 Interviews erfragten sie Klie zufolge vor allem die Gründe, aus denen sich Menschen für eine solche Bestattung entscheiden. Dabei gehe es nicht allein darum, Angehörigen eine Grabpflege zu ersparen. Vielmehr seien ein Heimatgefühl und Ereignisse in der Familiengeschichte wie eine Taufe oder Hochzeit in der jeweiligen Kirche große Motive. Zudem sei es vielen wichtig, dass in den Kirchen weiter Leben herrsche. So böten einzelne Kolumbarien etwa musikalische Veranstaltungen oder auch Trauercafés für Angehörige an. Auch Vorstellungen von einem Leben nach dem Tod verbänden sich mit dem Wunsch nach einem Grab im Kolumbarium.

Laut dem Geschäftsführer der Hanns-Lilje-Stiftung, Christoph Dahling-Sander, überlegten zunehmend Gemeinden, nicht mehr genutzte Kirchen zu Kolumbarien umzuwandeln. Theologieprofessor Klie mahnte jedoch, für eine erfolgreiche Arbeit müssten Kolumbarien Netzwerke knüpfen etwa zur Hospizarbeit, Schulen oder kulturellen Einrichtungen. "Eine Kirche mal schnell umwidmen, geht nicht. Es bedarf eines langen Planungszeitraumes."

Die bundesweit erste Begräbniskirche entstand 2004 in einer katholischen Kirche in Krefeld. In Niedersachsen wurde 2010 in der katholischen Herz Jesu Kirche in Hannover-Misburg die erste Urnenkirche eingeweiht. Die übrigen drei untersuchten Kolumbarien in Hannover, Hoheneggelsen bei Hildesheim und Wolfsburg-Ehmen sind den Angaben zufolge in Trägerschaft der evangelischen Kirche. Von den insgesamt 2.430 Begräbnisplätzen in den vier Kirchen sind derzeit 570 belegt und rund weitere 700 reserviert.

Singen hilft beim Trauern

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Singen hilft bei der Trauerarbeit.

Foto: David-W./photocase.de

Längst ist es wissenschaftlich belegt: Singen stärkt das Immunsystem. Es kann helfen, den Gedankenstrom zu unterbrechen sowie Stress und Hektik abzubauen. Auch bei trauernden Menschen und auch mit Kloß im Hals.

So zählt Eric Claptons melancholische Ballade "Tears in Heaven", in der er die Trauer nach dem Unfalltod seines vierjährigen Sohnes behandelt, zu den bekanntesten Werken des englischen Gitarristen und Sängers. Dennoch fristet das Singen als Hilfe im Trauerprozess in Deutschland offenbar noch ein Nischendasein. Doch ein Bestattungsunternehmen in München bietet seit über fünf Jahren "Singen mit Trauernden" an.

"Wir sind das erste und soweit ich weiß das einzige 'singende Bestattungshaus'", sagt Florian Rauch, Geschäftsführer des Unternehmens "Aetas"(deutsch: Lebenszeit, Zeitspanne des Lebens). Einmal pro Woche leitet die Sängerin, Musikerin und Gesangspädagogin Dagmar Aigner in der dafür besonders gestalteten Trauerhalle die Teilnehmer für zwei Stunden an. Gemeinsam werden einfache Lieder aus aller Welt gesungen, die man leicht mitsingen kann. Rauch: "Wohlgefühl und Entspannung stehen im Vordergrund." Es gebe keine Anforderungen an "richtiges" Singen und Notenlesen.

Beim "Singen mit Trauernden" gehe es vielmehr darum, "die heilsame und befreiende Wirkung des Singens zu spüren", erläutert Florian Rauch. Singen erleichtere den Zugang zu den Emotionen. "Gleichzeitig öffnet es uns wieder mehr unserer Lebensfreude und unserer Kraft." Das Angebot werde sehr gut angenommen, "leider nur vorwiegend von Frauen". Durchschnittlich ein bis zwei Jahre kommen Trauernde zum gemeinsamen Singeabend, schätzt er.

Begeistert von der Münchner Initiative zeigt sich Oliver Wirthmann, Sprecher des Bundesverbandes Deutscher Bestatter (Düsseldorf). Die einfachsten Dinge seien genial, wie etwa mit Trauernden zu singen, sagt der evangelische Theologe und ehrenamtliche Pfarrer. Es sei hilfreich im Trauerprozess, selbst aktiv zu werden und etwas zu tun.

Gleichzeitig beklagt Wirthmann, dass bei Trauerfeiern heute zu wenig gesungen werde. Drei Musikstücke, Reden, Texte, das war's oft schon. Manchmal berichteten Menschen danach, irgendetwas habe ihnen gefehlt. Sie hätten etwas vorgeführt bekommen, selbst aber nichts getan, erklärt sich Wirthmann dieses Gefühl.

Deshalb wünsche er sich, dass Bestatter bei der Vorbereitung der Trauerfeier mehr Angebote zum Mitsingen machen, sagt Wirthmann. Für die Verarbeitung der Trauer sei es wichtig, dass man singe - auch wenn man einen Kloß im Hals habe. Tragisch sei jedoch, dass viele Lieder selbst Christen nicht mehr bekannt seien.

Tod am Lebensanfang

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Sternenkinder in Hanau
sternförmiger Grabstein am Kindergrabmal Hanau mit der Aufschrift "April 2015"

Foto: Lisa Menzel

Im Januar, April, Juli und Oktober jeden Jahres finden Gemeinschaftsbeisetzungen am Kindergrabmal im hessischen Hanau statt.

"Wir sind die einzigen im Klinikbetrieb, die wirklich den Auftrag haben, sich Zeit zu nehmen. Alle anderen sind in ihren Dienstplänen sehr eingeschränkt", sagt Hans-Joachim Roth, evangelischer Klinikseelsorger im Klinikum Hanau. Gerade für Eltern, die nur wenige Augenblicke mit ihrem Kind erleben dürfen, ist das besonders wichtig.

Das Kindergrabmal auf dem Hanauer Hauptfriedhof ist zwar ausgeschildert, aber auch ohne Beschilderung nicht zu verfehlen: Mitten auf einer von sternförmigen Steinplatten übersäten Fläche steht ein Tor aus steinernen Bauklötzen – zu klein, um hindurchzugehen, und zu groß und zu auffällig, um übersehen zu werden. Es ist ein "Weg der Erinnerung" mit den Namen von vielen Kindern, der quer über die Anlage durch das "Tor zu einer anderen Welt" führt. Hier ruhen seit dem Jahr 2000 Erinnerungen an Kinder, die nie leben durften; an Kinder, für die der Lebensanfang nahezu gleichzeitig auch schon das Lebensende bedeutete - "Sternenkinder".

Die Begleitung der Eltern solcher fehl- oder totgeborenen Kinder nach der Geburt gehört zu den Aufgaben von Hans-Joachim Roth. Er ist seit 10 Jahren evangelischer Klinikseelsorger im Klinikum Hanau und achtet darauf, dass der Abschied vom Kind so gestaltet wird, wie es für die Eltern am angenehmsten ist: Im Krankenzimmer oder in der Kapelle, alleine oder im Kreise der Familie. "Gerade weil es so wenig Zeit überhaupt mit dem Kind ist, hat jeder einzelne Moment eine sehr große Bedeutung", sagt Roth.

"Da zu sein als einer, mit dem man reden kann, ist unser täglich Brot", sagen Hans-Joachim Roth (li) und Peter Schmalstieg (re).

Die Kinder werden in ein sogenanntes "Mosekörbchen" gelegt, bedeckt und zu den wartenden Eltern gebracht. Der Name "Mosekörbchen" drückt die Hoffnung aus, dass die toten Kinder wie Mose gerettet werden und von da an behütet und gut versorgt sind. Hierbei kommt auch die Kleidung der "Klinikaktion der Schmetterlingskinder" zum Einsatz, die von Ehrenamtlichen des Vereins FrauenWorte extra für die "Allerkleinsten" in Handarbeit hergestellt wird. Diese ist so konzipiert, dass ein Kleidungsstück mit dem Kind beerdigt werden soll und ein zugehöriges anderes Kleidungsstück bei den Eltern bleibt. Außerdem wird auf der Station ein Erinnerungsfoto sowie ein Hand- und Fußabdruck der Kinder gemacht.

Roth spricht mit den Eltern während dieses Abschiedes oft auch ein freies Gebet oder das Vaterunser. Auch das Jesuswort "Lasset die Kinder und wehret ihnen nicht, zu mir zu kommen; denn solchen gehört das Himmelreich." (Mt 19,14) kann den Eltern in einem solchen Moment Trost spenden. Manchmal zünde er sogar eine Kerze an, obwohl das vom Klinikum aus gar nicht erlaubt sei, verrät er.

"Ohne den Glauben könnte ich diese Arbeit nicht machen."

Wenn die Eltern keinen seelsorgerischen Beistand wünschen, übernimmt eine Krankenschwester die Gestaltung des Abschiedsrituals mit dem Mosekörbchen. Obwohl dieses Ritual nichts Frommes oder Spirituelles an sich habe, so habe es doch viel mit seinem persönlichen Glauben zu tun, sagt Roth. "Ohne den Glauben könnte ich diese Arbeit nicht machen. Allein dadurch, dass ich die tiefe Überzeugung habe, dass diese Kinder bei Gott natürlich auch eine Zukunft haben, bin ich überhaupt handlungsfähig."

Emotional nimmt die Begleitung von Eltern, die ihr Kind verloren haben, natürlich einen großen Teil der Arbeit der Klinikseelsorger ein, aber zeitlich ist der Anteil eher gering. Circa zehn bis zwölf Sternenkinder-Fälle betreuen die Klinikseelsorger im Jahr, schätzt Roths katholischer Kollege Peter Schmalstieg. Zu dieser Betreuung gehört die Begleitung der Betroffenen im Krankenhaus, die Gestaltung oder Mitwirkung an der Bestattung und auch die Trauerbegleitung der Eltern in Form von Gesprächen.

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Wo Sternenkinder nicht vergessen werden
Das Kindergrabmal in Hanau: Wo Sternenkinder nicht vergessen werden

"Wir bieten den Eltern in der Vorbereitung der Beisetzung mehrere Särge zur Auswahl an," erklärt Roth. Gerade in einem Moment der großen Ohnmacht und des Ausgeliefert-Seins helfe diese Auswahl, denn dann könnten die Eltern wieder aktiv werden und Entscheidungen treffen. Alle Sargformen sind auch unbehandelt vorhanden, sodass die Eltern den Sarg farblich selbst gestalten oder bekleben können. Und Kollge Schmalstieg meint: "Wichtig für die Eltern ist auch, dass sie in dieser Situation nochmal etwas für ihr Kind tun können." Es ist auch möglich, ein Spielzeug oder Kuscheltier mit in den Sarg zu legen, um dem Kind noch etwas mit auf den Weg zu geben.

Die Särge für die "Allerkleinsten" werden in regelmäßigen Abständen von Schülerinnen und Schülern der Holzfachklasse der Ludwig-Geissler-Schule hergestellt. Parallel zur Gestaltung der Särge für die Einzel- und Gemeinschaftsbeisetzungen in den Werkstätten befassen sich die Schüler auch im Religionsunterricht mit den Themen Sterben und Tod. Dazu gehöre auch der Besuch des Kindergrabmals, erklärt Schmalstieg, der die Kooperation mit der Berufsschule besonders wichtig findet. Die Schüler würden dann merken, dass es oft junge Frauen und Männer wie sie selbst treffe, die auf diese Weise ihr Kind verlieren. Der Tod am Lebensanfang sei deshalb ein Tod "mitten im Leben", so Roth.

Gesegnet seien Trauer und Wut

Für Klinikpfarrer Roth ist der Verlust eines Kindes während der Geburt kaum mit dem Verlust anderer Angehöriger zu vergleichen: "Bei dem Tod eines alten Menschen nehmen wir Abschied von jemandem, wie er geworden ist, von der Wirklichkeit, die eingetreten ist. Aber hier müssen wir Abschied nehmen von Momenten, die hätten sein können, von Menschen, die nie geworden sind. Als Christ habe ich natürlich die Hoffnung, dass in Gottes neuer Welt ganz viel möglich ist und auch der Abschied von einem Sternenkind kein Abschied für immer ist, aber das ist eben weniger konkret."

Schmalstieg meint: "Mit Hiob habe ich das Recht, in einer solchen Situation auch sauer zu sein auf Gott. So ein Kind hätte das ganze Leben noch vor sich gehabt. Und kaum hat es angefangen, ist es auch schon wieder vorbei. Der Tod eines Kindes, das nie gespielt hat und nie mit Freunden durch die Gegend toben konnte, ist schwer zu ertragen."

Es sei auch Aufgabe der Klinikseelsorger, stellvertretend für die Eltern religiöse Gefühle wie etwa das Unverständnis gegenüber Gott oder das Ohnmachtsgefühl in einer solchen Situation auszudrücken, sagt Hans-Joachim Roth. Er erinnert sich an Fürbitten aus einer der letzten Gemeinschaftsbestattungen für Sternenkinder am Kindergrabmal: "Gesegnet sei deine Wut, dass du herausschreien kannst, was dir zu viel wird. Und gesegnet sei auch deine Trauer, dass du jetzt nichts überstürzt, sondern die Zeit findest, dich und deine Gefühle neu zu ordnen."

Seit es das Kindergrabmal in Hanau gibt, werden alle Tot- und Fehlgeburten aus den Hanauer Krankenhäusern dort bestattet. Für Schmalstieg ist es besonders wichtig, dass es inzwischen überhaupt die Möglichkeit der Bestattung von Kindern unter 500 Gramm Geburtsgewicht gibt. Auch die Kirchen hätten sich ja in der Abtreibungsdebatte das "Leben von Anfang an" auf die Fahnen geschrieben, das nicht erst ab der Geburt gelte. Und so bekämen jetzt auch die ganz kleinen Menschen in Hanau eine würdige Erdbestattung, obwohl für Kinder unter 500 Gramm in Deutschland eigentlich keine Bestattungspflicht besteht.

Eine gemeinschaftliche Beisetzung ist kostenfrei.

Dabei haben die Eltern verschiedene Möglichkeiten, wie sie ihr "Sternenkind" bestatten können. Entweder können sie ihr Kind direkt am Kindergrabmal im Gemeinschaftsgrab oder in einer individuellen Beisetzung bestatten. Oder sie können für ihr Kind ein eigenes Grab in der Nähe des Grabmals oder auf einem der Stadtteilfriedhöfe mit längeren Ruhezeiten und der Möglichkeit zur Verlängerung aussuchen. Eine gemeinschaftliche Beisetzung ist kostenfrei. Aber auch die Bestattung von Sternenkindern in einem Einzelgrab in der Nähe des Kindergrabmals kostet die Eltern einmalig nicht mehr als 500 Euro. "Für junge Familien, die Kummer haben, ist das schon schlimm genug", sagt Roth.

Klinikpfarrer Roth führt mit seinen Kollegen viermal im Jahr Gemeinschaftsbestattungen am Kindergrabmal durch. Manchmal nehmen dann auch Muslime an diesen Beisetzungen teil. "Wir verstehen unsere Arbeit natürlich nicht nur für evangelische und katholische unglückliche Eltern, sondern für alle. Das ist einfach ein Akt der Nächstenliebe, dass wir für alle da sind," sagt Roth und erklärt, wie er muslimische Rituale in die Bestattungszeremonie integrieren kann. Beispielsweise verschließen die muslimischen Männer zum Schluss das Grab, da würden dann auch die nicht-muslimischen Väter mithelfen. "Und die machen das mit einer Energie!", sagt Roth, "Dabei schaffen Männer sich ab! Und es geht wohl auch darum, etwas zu tun bei all dem Kummer."

Dieser Beitrag erschien erstmals am 15. November 2016 auf evangelisch.de.

Friedhofskultur im Wandel

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Gemeinschaftsgräber, hier die Rosengrabstätte, beginnen sich seit einigen Jahren als eine Alternative zu anonymen Grabstätten durchzusetzen.

epd-bild/Stephan Wallocha

Gemeinschaftsgräber, hier die Rosengrabstätte, beginnen sich seit einigen Jahren als eine Alternative zu anonymen Grabstätten durchzusetzen.

Der Friedhof in Hamburg Ohlsdorf ist wie ein Labor für Friedhofskultur, wo neben den traditionell christlichen Beerdigungen auch zahlreiche alternative Bestattungsarten möglich sind. Die Entwicklung der Friedhofskultur früher und heute ist auf dem Ohlsdorfer Friedhof erlebbar.

An einem nieseligen Herbsttag im Jahr 1917 zieht ein großer Trauerzug über den Ohlsdorfer Friedhof. Der Pastor läuft auf einer Allee zur Grabstelle, gefolgt von sechs Sargträgern mit weißen Halskrausen, schwarzgekleideten Angehörigen sowie Freunden und Bekannten. Der Pastor spricht Worte aus der Bibel, die Trauergemeinde nimmt Abschied und wirft Erde und Blumen ins Grab. Heute, Hundert Jahre später, haben die Sargträger immer noch weiße Halskrausen und die Trauergemeinde trägt schwarz - doch einiges hat sich durchaus geändert.

Autor
Özgür Uludağ

Özgür Uludağ ist freier Journalist und arbeitet für NDR, ARD und ZDF an Dokumentationen und Reportagen, sowie für die Orientzeitschrift "Zenith". Er hat Islamwissenschaften studiert und promoviert in Kiel zu islamischen Beerdigungen.

Das zeigt sich beispielsweise auf der Bestattermesse in Hamburg. Der Titel ist Programm: "Happy End". Im Foyer der Party-Location "Hühnerposten", wo sonst jüngeres Publikum die Nacht durchfeiert, haben 38 Aussteller Stände aufgebaut und im Hintergrund legt eine Deejane Lounge-Musik auf. Ob Kristall- oder Diamantenbestattung, wo aus der Asche des Verstorbenen ein Kristall oder eben Diamant gepresst wird oder private Krematorien, Sargträger, Hospize, alle arbeiten daran, die letzten Stunden zu einem glücklichen Ende werden zu lassen. Dies gelingt offenbar am besten mit individuell gestalteten Urnen, Särgen oder Traueroblaten, Videobotschaften für die Angehörigen und Büchern oder Kunst zum Thema Tod und Sterben.

Wie vielfältig die Möglichkeiten sind das letzte Geleit kreativ auszugestalten, erklärt Anja Wiebke, Leiterin für Marketing des Ohlsdorfer Friedhofs, am Messestand den Besuchern. Vieles von dem, was auf der Messe präsentiert wird, findet auf dem Ohlsdorfer Friedhof längst statt. Neben den gewöhnlichen Wahlgrabstätten bietet der Ohlsdorfer Friedhof Kolumbarien und eine Urnenkrypta, in denen Urnen in Wandnischen oberirdisch bestattet werden. Außerdem gibt es die Möglichkeit sich am Blumenband, im Ruhewald, in Baumgräbern, an Paar-Bäumen, im Schmetterlingsgarten, im Rosenhain und auf besonders gestalteten Grabfeldern oder einfach anonym beerdigen zu lassen.

Anja Wiebke, Leiterin für Marketing des Ohlsdorfer Friedhofs

"Wir könnten uns vorstellen, dass wir nächstes Jahr diese Messe bei uns im Forum Ohlsdorf veranstalten. Das würde sicher auch gut dort hinpassen", sagt Anja Wiebke kurz nach einem Vortrag über "Die neue Vielfalt auf den Friedhöfen", den sie auf der Messe gehalten hat. Zur Vielfalt gehören auch die Grabstätten verschiedener Nationen und Religionen, wie zum Beispiel die jüdischen und islamischen Grabfelder. Schon von Gründung an sei Vielfalt Teil des Konzepts für den Friedhof Ohlsdorf, sagt Anja Wiebke. "Der Gründer Wilhelm Cordes konzipierte den Friedhof schon im Jahr 1877 überkonfessionell, was in der damaligen Zeit eher ungewöhnlich, aber sehr wegweisend war."

Das Haus des ewigen Lebens

Das jüdische Grabfeld liegt direkt neben dem Ohlsdorfer Friedhof und wird durch einen eigenen Eingang betreten. Nur noch hier wird in Hamburg eine Trauerfeier in einer Friedhofssynagoge und eine Beisetzungen nach jüdischem Ritus durchgeführt. Das bedeutet, dass die Verstorbenen ohne Sarg, eingehüllt in ungesäumte Leinentücher (Tachrichin) gewickelt, beerdigt werden können.

Außerdem sind jüdische Gräber, anders als die meisten Gräber auf dem Friedhof Ohlsdorf nicht zeitlich befristet. Denn jüdische Gräber sind für die Ewigkeit ausgelegt. Deswegen heißt der Friedhof auf Hebräsich auch Bet-Hachajim und meint damit "Das Haus des ewigen Lebens". Das hier aber auch Grabsteine stehen, die viel älter sind als der Friedhof, liegt daran, dass einige Gräber von geräumten jüdischen Friedhöfen in Hamburg hierher umgebettet worden sind.

Asche aus Auschwitz auf dem jüdischen Friedhof Ohlsdorf.

Ein Gemisch aus verschiedenen jüdischen Traditionen hat sich daher hier versammelt. Neben den Grabfeldern der sephardischen Gemeinde, die im 15. Jahrhundert wegen Verfolgung von der iberischen Halbinsel nach Hamburg geflohen sind, stehen hier auch die Grabsteine von aschkenasischen Juden aus Mittel- und Osteuropa. Anders als die übrigen jüdischen Gräber haben die spanischen und portugiesischen Juden ihre Grabgestaltungstradition beibehalten. Ihre Gräber bestehen aus Grabplatten und gerahmten Sarkophagen oft mit portugiesischen und hebräischen Inschriften. Die aschkenasischen Juden werden hier getrennt von den sephardischen Juden beerdigt. Ihre Gräber sind eher schmucklos und wirken auf den ersten Blick ungepflegt. Das hat vor allem theologische Gründe, denn der Friedhof gilt als ein unreiner Ort und die Totenruhe sollte durch das Ablegen von Devotionalien nicht gestört werden. Das Ablegen von kleinen Steinen auf den Grabsteinen wiederum kommt zwar vor, ist aber eher eine Tradition von Juden aus dem Nahen Osten. Doch die Abgrenzungen weichen immer mehr auf und so legen inzwischen sowohl sephardische als auch aschkenasische Juden kleine Kieselsteine auf Grabplatten.

Ein völlig anderes Bild bietet das islamische Grabfeld am anderen Ende des Ohlsdorfer Friedhofs. Bunt gemischt liegen hier Muslime aus aller Welt und von allen islamischen Rechtsschulen. Sunniten und Schiiten aus der Türkei, dem Iran, Afghanistan, Bosnien oder Marokko.Die iranischen Gräber zeichnen sich durch große schwarze Grabplatten aus während die Grabsteine von arabischen Muslimen mit schönen Kaligraphien auffallen. Aber mittlerweile mischen sich die Traditionen. Grabsteine mit eingelassenen Fotos des Verstorbenen sind eher von Muslimen aus dem Kaukasus oder Iran bekannt, aber nun auch auf einigen Grabsteinen mit türkischem Namen zu entdecken.

Auf dem islamisch-iranischen Grabfeld fallen vor allem die Fotos und Gravuren in den Grabsteinen auf.

Auch christliche Traditionen werden übernommen, denn Blumen- oder Grabbesteck sind sehr unüblich bei der islamischen Grabgestaltung. Und doch ist auf fast jedem Grab Blumenbesteck zu sehen. Jüdische Bestattungsvorschriften stimmen mit den islamischen Bestattungsvorschriften überein, denn auch Muslime beerdigen ihre verstorbenen Angehörigen ohne Sarg, eingewickelt in Leinentücher und eine Feuerbestattung kommt weder für Juden noch für Muslime in Frage. Und auch Gräber von Muslimen dürfen zeitlich nicht befristet sein, doch das islamische Grabfeld gehört zum Friedhof Ohlsdorf. Da das Grabfeld nicht wie der jüdische Friedhof selbst verwaltet wird, gelten hier die Befristungen des Friedhofes - doch es steht muslimischen Familien frei, die Grabpacht zu verlängern.

Um den größten Parkfriedhof der Welt erleben zu können, bietet die Friedhofsverwaltung Ohlsdorf auf seinen 388 Hektar unterschiedliche Themengrabfelder an. Führungen zum Thema Garten und Kunst werden ebenso angeboten, wie Märchenspaziergänge oder Kunstführungen zu den mehr als 800 Grabskulpturen und sogar Rundgänge mit Motivsuche für Fotoshootings. Auch der Hamburger Wanderverein hat hier eine Route und die 450 Laub- und Nadelgehölzarten, zahlreichen Pflanzen- und Vogelarten können auf einer Tour des Naturschutzbundes NABU entdeckt werden. Dazu kommen noch die Vorträge oder Lesungen im Forum Ohlsdorf.

Parkfriedhof in Hamburg-Ohlsdorf mit dem Eingang zum anonymen Urnenhain.

Anja Wiebke arbeitet gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen daran den Wandel behutsam umzusetzen. Um den Bedürfnissen der Angehörigen nachkommen zu können, werden verschiedene Konzepte angeboten. "Blumen und andere Grabbeigaben, wie kleine Schmuckstücke, dürfen beispielweise nicht auf den Gräbern auf der waldartigen und naturbelassenen Fläche niedergelegt werden", sagt Anja Wiebke. Dafür gebe es Gräber in anderen Bereichen, wo dies erlaubt sei. Aber nicht nur die Gestaltung der Gräber und des Friedhofes, sondern auch der Rahmen einer Trauerfeier hat sich stark verändert, sagt Anja Wiebke. Die Trauergemeinden seien kleiner geworden und die Menschen hätten weniger Zeit. Die Trauergemeinde käme oft nur kurz zur Beerdigung und ginge dann wieder ihrem Alltag nach.

Stirbt der Friedhof aus?

Auf der kleinen Tour über den Friedhof ist Anja Wiebke oft mit dem Auto unterwegs, denn der Friedhof ist so weitläufig, dass sogar der öffentliche Nahverkehr hier mehrere Busstationen hat. Sie zeigt auf eine der zwölf Kapellen, wo noch Trauerfeiern stattfinden. Seit Jahren ist der Bedarf rückläufig und deswegen stehen werden drei Kapellen statt für Trauerfeiern für andere kulturelle Zwecke genutzt. Überhaupt steht der Friedhof vor einem großen Umbruch. Von den mittlerweile 1,4 Millionen Beisetzungen seit der Eröffnung sind nur noch etwa 235.000 Grabmale auf dem Friedhof zu sehen. Zum einen sind viele Weltkriegs- und Sturmflutopfer in Massengräbern beerdigt, aber vor allem werden viele Gräber nach einer Ruhefrist von 25 Jahren geräumt, wenn die Angehörigen die Grabpacht nicht verlängern.

Der "Ohlsdorfer Ruhewald" wurde im Jahr 2006 auf dem Friedhofsgelände in Hamburg-Ohlsdorf eingerichtet. Auf dem zwei Hektar großen Gelände werden Urnengräber rund um die alten Bäume angelegt.

Die Zahl der Urnenbeisetzungen ohne eigenen Grabstein ist stark gestiegen, womit mehr Grabflächen frei werden. Um dieser Entwicklung sinnvoll zu begegnen wurde das Projekt "Ohlsdorf 2050" mit dem Motto "Verändern heißt bewahren" gestartet. Bürger können sich mit ihren Ideen daran beteiligen. Für das Projekt stehen drei Millionen Euro zur Verfügung und es wird vom BMUB (Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit) gefördert. "Der Friedhofszwang, der in Deutschland im Großen und Ganzen noch besteht und auch die Vorgabe, dass auch Urnen auf dem Friedhof bestattet werden müssen, ist wahrscheinlich endlich und wir tun gut daran Angebote zu schaffen und damit unsere Existenzberechtigung zu sichern", sagt Anja Wiebke mit Blick auf die Zukunft des Friedhofs Ohlsdorfs. Ihre Kolleginnen und Kollegen und sie arbeiten nun daran, dass der Friedhof von Besuchern als ein Ort der Besinnung und Entschleunigung neu entdeckt wird.

Hinter dem Horizont - Über die letzten Dinge

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Trauerkultur im Wandel
Leben nach dem Tod

Foto: philunterwegs / photocase

Orte, an denen man sich nach dem Tod befinden könnte sind in verschiedenen Religionen der Himmel, die Hölle oder das Fegefeuer, die Vorhölle oder in Abrahams Schoß, im Hades oder im Scheol, im Paradies, Tartarus oder auf der Insel der Seligen.

Was kommt nach dem Tod? Die Kirchen haben nicht mehr wie einst die Deutungsmacht über Tod, Sterben und Trauer. Aber die "letzten Dinge" beschäftigen die Menschen weiterhin.

Der Regisseur Woody Allen (81) meinte einmal lakonisch, er wolle nicht in seinen Werken weiterleben, sondern lieber in seiner New Yorker Wohnung. Doch für die meisten Menschen ist die Frage, was nach dem Tod von ihnen bleibt, eine ernste Sache - vor allem die Frage nach einem möglichen Leben nach dem Tod.

Die starke Anziehungskraft dieser Gedanken spiegelt das, vor dem sich die Menschen "so schrecklich fürchten: die vollständige, vernichtende, ihrerseits unvorstellbare Auslöschung von allem", mutmaßt der US-Philosoph Ronald Dworkin (1931-2013). Doch die Frage, was Leben nach dem Tod wirklich bedeutet, kann "nicht einmal im Ansatz beantwortet werden", räumt Dworkin ein.

Dennoch beschreiben unterschiedliche Kulturen und Religionen seit Jahrhunderten verschiedene Orte, an denen man sich nach dem Tod befinden könnte. "Im Himmel, in der Hölle oder im Fegefeuer, der Vorhölle oder in Abrahams Schoß, im Hades oder im Scheol, im Paradies, Tartarus oder auf der Insel der Seligen", zählt der australische Religionsphilosoph Philip C. Almond in seinem neuen Buch "Jenseits - Eine Geschichte des Lebens nach dem Tode" auf.

Almond: "Nach allem, was wir wissen, kann eine oder können mehrere oder kann keine dieser Vorstellungen der Wahrheit entsprechen. Doch was immer der Fall sein mag: Die Geschichte des Lebens nach dem Tod ist die Geschichte unserer Hoffnungen, dass es nach dem Tod etwas geben wird, und unserer Befürchtungen, dass es nichts geben wird."

Das Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit sei nötig, "um sicherzustellen, dass wir das Leben voll und ganz auskosten", unterstreichen Ella Berthoud und Susan Elderkin in ihrem Ratgeber "Die Romantherapie - 253 Bücher für ein besseres Leben". Dazu können den Autorinnen zufolge auch "die richtigen literarischen Begleiter" helfen.

Als "Heilmittel" gegen die Angst vor dem Tod empfehlen Berthoud und Elderkin etwa den Roman "Hundert Jahre Einsamkeit" von Gabriel García Márquez (1927-2014): "Da sich die Geschichte über ein ganzes Jahrhundert erstreckt, kommt der Tod häufig vor und wird sehr sachlich beschrieben." Zudem akzeptierten die Menschen in diesem Roman ihre Rolle "in der natürlichen Ordnung der Dinge - eine Einstellung, die mit der Zeit auf Sie abfärben mag".

Oder "lesen Sie Ovid", empfehlen die Autorinnen. Der antike römische Dichter könne dabei helfen, sich als "Teil des ewigen Kreislaufs des Lebens zu fühlen". Sein Meisterwerk, die "Metamorphosen", handele davon, "wie eins ins andere übergeht" - bis ins Unendliche.

"Der Tod geht uns nichts an"

Wohl die meisten Religionen wollen mit der Hoffnung auf eine Existenz nach dem Tod - in welcher Form auch immer - die Menschen trösten. Der antike religionskritische Philosoph Lukrez dagegen lehrt die Kunst eines glücklichen Lebens, indem er den Tod als gegenstandslos erklärt. Er verweist seine Leser auf das Hier und Jetzt. "Die Seele ist ihrer Natur nach sterblich", schrieb er um das Jahr 60 vor Christus in seinem Lehrgedicht über die Geheimnisse der Natur. Lukrez: "Der Tod geht uns nichts an."

Gerade in der Literatur gebe es ein Interesse daran, "Grenzen zu überschreiten", sagt die Literaturwissenschaftlerin Martina Wagner-Egelhaaf vom Exzellenzcluster "Religion und Politik" der Uni Münster. Dieses "Transzendenzbegehren" sei allerdings meist nicht religiös oder gar christlich besetzt. Es gehe vielmehr um einen "Ausblick in andere Bereiche, in eine Art von Jenseits, das aber nicht qualitativ beschrieben wird, sondern das eher eine Infragestellung unserer immanenten und normativen Maßstäbe und Begriffe mit sich bringt", sagt die Germanistin. Das Jenseitige werde so zum Symbol für Unverfügbarkeit.

Die Kirchen selbst haben für viele Menschen das Deutungsmonopol auf die Themen Tod, Sterben und Trauer verloren. Aber "der Säkularisierungsschub hat nicht zu einer Vernachlässigung oder zu einem Verlust der Trauerkultur geführt", schreibt der Theologe Reiner Sörries in der Fachpublikation "Herder-Korrespondenz".

Beispiele dafür seien, wenn Angehörige die Asche ihrer Verstorbenen in einen Diamantring pressten oder der Fußballfan auf dem Fan-Friedhof beerdigt werde. Selbst ohne christliche Hoffnung auf Auferstehung blieben die Toten gegenwärtig und "haben mit den Hinterbliebenen eine gemeinsame Zukunft", erklärt der frühere Direktor des Kasseler Museums für Sepulkralkultur, das sich mit allen Aspekten der Vergänglichkeit beschäftigt.

Führende Theologen haben den Himmel - und die Hölle - in den letzten Jahrzehnten gründlich leergeräumt. "In der protestantischen und katholischen Theologie des 20. Jahrhunderts war aus dem Leben nach dem Tod, zumindest unter liberalen Theologen, ein Nebengedanke geworden", erklärt Almond: "Die führenden Theologien waren zurückhaltend, wenn es darum ging, über das Jenseits irgendetwas zu sagen."

Über den berühmten evangelischen Theologieprofessor Karl Barth (1886-1968) wird allerdings diese Anekdote kolportiert: Der Schweizer wurde von einer Dame gefragt: "Werde ich im Himmel meine Lieben wiedersehen?" Barth soll daraufhin spontan erwidert haben: "Ja, aber die anderen auch!"


"Worldwide Candle Lighting" für verstorbene Kinder am Sonntag

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Kerze steht in einem Fenster.

Foto: krockenmitte/photocase.de

Die Kerzen im Fenster erinnern an verstorbene Kinder und verbinden Hinterbliebene auf der ganzen Welt.

Am zweiten Sonntag im Dezember – dieses Jahr also am 10.12. – werden auf der ganzen Welt Kerzen angezündet und in die Fenster gestellt, um an verstorbene Kinder zu erinnern.

Das "Worldwide Candle Lighting" geht auf eine Selbsthilfevereinigung verwaister Eltern in den USA zurück, die sich "Compassionate Friends" nennt. Jedes Jahr am 2. Dezembersonntag werden weltweit in den verschiedenen Zeitzonen jeweils um 19 Uhr Kerzen angezündet, so dass das Leuchten einmal um den Globus geht. So erinnern die Flammen nicht nur an die einzelnen verstorbenen Kinder, sondern geben den Hinterbliebenen auch das Gefühl von Solidarität und Zusammenhalt.

In Deutschland wird das "Worldwide Candle Lighting" unter anderem vom Bundesverband Verwaiste Eltern und trauernde Geschwister (VEID) unterstützt. Auf der Website des Verbandes ruft der Vorstand dazu auf, in den Gedenkfeiern am 10. Dezember ebenfalls eine Kerze anzuzünden. "Sie soll den Kindern gewidmet sein, die durch Kriege, Flucht, Gewalt, Armut oder Naturereignisse gestorben sind." Der Bundesverband wünscht "all denen, die um diese Kinder trauern, Frieden und Trost in Gemeinschaft und liebevoller Zuwendung".

Sepulkralmuseum zählt 90.000 Besucher im documenta-Jahr

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dokumenta 14

Foto: dpa/Swen Pfö†rtner

rbeiter bauen in Kassel das documenta-Kunstwerk "The Parthenon of Books" der argentinischen Künstlerin Marta Minujan ab. Die dokumenta 14 lockte rund 90.000 Besucher ins Kasseler Museum für Sepulkralkultur.

Dank der documenta 14 hat das Kasseler Museum für Sepulkralkultur in diesem Jahr rund 90.000 Besucher verzeichnet. Dabei hätten sich die Besucher nicht nur von den künstlerischen Arbeiten der documenta 14 beeindruckt gezeigt, sondern sich auch sehr positiv über die Sammlungen des Museums zu Sterben, Bestatten, Trauern und Gedenken geäußert, teilte das Museum am Dienstag in Kassel mit.

Das Sepulkralmuseum war erstmals seit seiner Eröffnung im Jahr 1992 einer der Standorte der documenta.

Mitte Januar 2018 werde das Museum einen neuen Leiter des Hauses präsentieren, hieß es weiter. Er werde zugleich die Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal leiten. Seit April 2016 leitet Gerold Eppler das Museum kommissarisch. Zuvor hatte Werner Tschacher, der im Januar 2016 das Amt von dem langjährigen Direktor Reiner Sörries übernommen hatte, schon nach wenigen Monaten das Museum aus persönlichen Gründen wieder verlassen.

Trauer um die Toten vom Breitscheidplatz

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Vor zwölf Monaten raste Anis Amri mit einem Lastwagen auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz. Zwölf Menschen starben bei dem Terroranschlag mitten in der Hauptstadt. Ein Jahr der Trauer und des Erinnerns ist vergangen. Die Stimmung an der Gedächtniskirche ist gedrückt, aber auch entschlossen. Wir zeigen Impressionen.

So hilft die Kirche Flüchtlingen in Bestattungsfragen

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Nächstenliebe für Tote in der Fremde
Nächstenliebe für Tote in der Fremde

Foto: David Baltzer/Zenit/laif

Blumen beim "Marsch der Entschlossenen" in Berlin für verstorbene Flüchtlinge.

Fluchten gab es schon immer. Und schon immer sterben Menschen auf der Flucht fern ihrer Heimat. Evangelische Gemeinden, Pastoren, Pfarrerinnen und Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit stehen hier vor großen Herausforderungen. Dabei gibt es Möglichkeiten zu helfen.

Warum uns das 2017 wichtig war: Schon immer sterben Menschen auf der Flucht fern ihrer Heimat. So berichten die biblischen Texte des Alten Testaments davon, so bleiben die Todesopfer der Flucht auch heute ein mediales Thema, auch auf evangelisch.de. Doch weder Tote noch Flüchtlinge haben eine große Lobby in unserer Gesellschaft, schon gar nicht tote Flüchtlinge. Daher ist es notwendig, dass die evangelische Kirche hilft. Wie? Dem bin ich nachgegangen, da ich die Möglichkeit erhielt, auf der Friedhofsverwaltertagung der Arbeitsgemeinschaft Friedhof und Denkmal e.V. 2017 "In der Fremde sterben – Was bedeutet die Migration von Geflüchteten für die Friedhöfe?" im Museum für Sepulkralkultur in Kassel darüber zu berichten. Dabei ist Hilfe, über religiöse Grenzen hinweg, ebenso wichtig wie gelebte Nächstenliebe für Tote in der Fremde.

Dieser Artikel wurde erstmals am 23. November 2017 veröffentlicht.

Der Tod in der Fremde ist in den Medien heute vor allem präsent, wenn es um die Opfer der Flucht geht; also um die Menschen, die beim Versuch, das Mittelmeer zu überqueren oder auf dem Landweg ihre Reise fortzusetzen, zu Tausenden ihr Leben verlieren. Wir alle haben das Bild des ertrunkenen dreijährigen syrischen Flüchtlingsjungen Aylan Kurdi vor Augen, dessen Leichnam nach dem Ertrinken an der türkischen Mittelmeerküste angeschwemmt wurde. Wir sehen das Kind tot, bekleidet, seine Schuhe noch an den Füßen, auf dem Bauch im nassen Sand liegend. Das Bild hat sehr viele Menschen bewegt. In Frankfurt, im Osthafen an einer Mainbrücke, setzten die Künstler Justus "Cor" Becker und Oğuz Şen Anfang März 2016 die Geschehnisse in einem 120 Quadratmeter großem Graffitigemälde um, das allerdings Mitte März beschmiert wurde. Das veranlasste den Künstler Oğuz Şen, Ende Juni 2016 ein anderes Bildthema zu wählen. Aylan wird nun lächelnd dargestellt, umgeben von Teddybären, die ihn vor den Wellen beschützen. Damit wird das Thema  gleichsam zu einem "positiven" Ausgang und an ein "Ende" geführt. Die öffentliche Diskussion kam zur Ruhe, die Beschädigungen hörten auf.

Graffitigemälde (links) des toten Flüchtlingsjungen Aylan Kurdi in Frankfurt am Main und die Neuinterpreation (rechts) und nach den Beschmierungen.

Die Todesopfer der Flucht bleiben ein mediales Thema. Was aber passiert mit Geflüchteten, die bei uns in Deutschland sterben? Man könnte fast den Eindruck haben, dass zur medial vermittelten Willkommenskultur der Tod nicht so recht passen will. Dagmar Apel, Referentin für Migration und Integration und Pfarrerin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) vom Berliner Missionswerk – Ökumenisches Zentrum, erkennt einen Grund in der Fixierung auf das Leben, warum das Thema Tod und Trauer in unserer Gesellschaft keine große Rolle spielt, warum sich unsere Gesellschaft sehr schwer mit dem Tod tut. In der Bibel sagt Jesus: "Lass die Toten ihre Toten begraben (Lk 9,60)". Mit anderen Worten: Kümmert Euch um die Lebenden, das Leben ist wichtig. "Weil wir den Tod nicht wahrnehmen, ist es für uns Menschen schwer, das Leben zu schätzen", gibt Apel zu bedenken.

Kirchen können den Tod ins Leben holen

Weder Tote noch Flüchtlinge haben eine große Lobby in unserer Gesellschaft, schon gar nicht tote Flüchtlinge. Daher sind Institutionen und Organisationen notwendig, die sich verantwortlich sehen, die den öffentlichen Diskurs kanalisieren und seine Lenkung als ihre Aufgabe betrachten. Dies ist einerseits der Staat in Form seiner Kommunen und kommunalen Verwaltungen. Aber eine solche Institution ist auch die Kirche: die Evangelische Kirche in Deutschland, die Katholische Kirche in Deutschland und die anderen hier vertretenen Glaubensgemeinschaften. Die EKD hat einen Flüchtlingsbeauftragten eingesetzt. Einzelne Landeskirchen beschäftigen auf der Regionalebene auch Flüchtlingsseelsorger, die seelische Unterstützung in Notfällen anbieten können.

Denn Trauerbewältigung  ist wichtig für die Integration der Menschen. Nur wer angemessen trauert, kann wieder neue Kraft schöpfen, die einem die Integration in einem fremden Land abverlangt. Dass die Trauer über den Verlust eines Menschen sowohl ein Beratungs- und Therapieinhalt bei den Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer als auch in psychosozialen Beratungsstellen sein solle, empfiehlt Ute Burbach-Tasso, Pressesprecherin der Diakonie Deutschland. Auch eine kollektive Trauer könne laut Dagmar Apel von der EKBO helfen, etwa wie sie durch die Schweigeminute auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag 2017 in Berlin gezeigt wurde und durch die einzelnen evangelischen und katholischen Kirchengemeinden der unterschiedlichen Landeskirchen und christlichen Konfessionen gefeierten Erinnerungsgottesdienste ausgedrückt wird.

Schweigeminute auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Berlin.

In Deutschland gibt es drei sogenannte "Tage des Flüchtlings" im Jahr, die die Situation der Flüchtlinge betrachten. So findet am 19. Januar ein kirchlicher Gedenktag für Flüchtlinge und Migranten statt, am 20. Juni ist der von den Vereinten Nationen eingerichtete Weltflüchtlingstag und am 29. September wird der im Rahmen der Interkulturellen Woche stattfindende Tag des Flüchtlings unter dem Motto "Flüchtlingsrechte sind Menschenrechte" abgehalten. Die an diesen Tagen gefeierten Gottesdienste schaffen zusätzlich einen Raum für das Anzünden von Kerzen und Sprechen von Gebeten in Erinnerung an die Toten. Zusätzlich stehen die jeweiligen Pastorinnen und Pastoren für Seelsorgegespräche zur Verfügung.

Volker Rahn, Pressesprecher der evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), betrachtet den Tod innerhalb der evangelischen Kirche als nicht tabuisiert, im Gegenteil. Er sagt: "Das Thema Tod und  Sterben ist ein beherrschendes Thema aller, die zu uns flüchten. Sie kommen ja teilweise selbst mit traumatischen Todeserfahrungen. Entsprechend wird es auch von allen, die mit Hilfesuchenden zu tun haben, thematisiert. Der Tod ist also kein Tabu-, sondern trauriges Alltagsthema in der Flüchtlingsarbeit. Sie bleiben ja auch bei uns verbunden mit den Menschen aus ihren Herkunftsländern, aus denen sie fast täglich Todesnachrichten hören. Nur: Das ist inzwischen ein vertiefendes Thema der professionellen Helfer in der zweiten Phase der Ankunft und eher kein Thema mehr der Ersthilfe in den Gemeinden."

Statistiken zeigen, dass vor allem gesunde Menschen, Familien und unbegleitete Jugendliche als Flüchtlinge nach Europa kommen. Ältere Flüchtlinge und Senioren, bei denen das Thema Krankheit und auch Tod eher in der öffentlichen Wahrnehmung seinen Platz hätte, können die Strapazen der Flucht nur zu einem sehr geringen Teil auf sich nehmen. Auf die Frage, welche Erfahrungen die evangelische Kirche bisher mit der Bestattung von Flüchtlingen macht, gibt es laut Manfred Rekowski, dem Flüchtlingsbeauftragen der EKD, bislang keine aussagekräftige Statistik. "Man kann davon ausgehen, dass geflüchtete Menschen bereits hier gestorben sind; es liegen uns jedoch noch keine Zahlen vor, und es sind noch keine konkreten Erfahrungen mit Sterbefällen erfasst", sagt er und ergänzt: "Dies wird sich zukünftig, je länger Menschen bleiben, sicher ändern."

Die Kirche ist für die Menschen da

Wie also positioniert sich die Evangelische Kirche in Deutschland zu Flüchtlingen, die auf ihrer Flucht fern ihrer Heimat hier im Land sterben? Hierbei kann man zwischen den Institutionen der EKD, wie der Diakonie, den Landeskirchen und ihren Beauftragten und der Basis der Gläubigen unterscheiden, also den örtlichen Gemeinden, den Pfarrerinnen und Pfarrern und den in der Flüchtlingshilfe engagierten Gemeindemitgliedern. Laut Ute Burbach-Tasso, Pressesprecherin der Diakonie Deutschland, haben die einzelnen Krankenhäuser, auch diakonische, und Sozialämter eigene Vorgehensweisen etabliert, um mit Todesfällen dieser Art umzugehen. Möglich sei, dass diakonische Werke in Absprache mit Sozialämtern und Migrationsfachdiensten in Todesfällen helfen.  Angehörige könnten sich an die Migrationsfachdienste wenden. Allerdings kämen dort offenbar relativ wenige Fragen zum Thema Bestattung auf, dies betrifft sowohl Migranten, zum Beispiel ehemalige Gastarbeiter, als auch Flüchtlinge.

Die Perspektive der Katholischen Kirche fasst Matthias Kopp, Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz, zusammen: "Für katholische Geflüchtete sind die Leitlinien hilfreich, die die deutschen Bischöfe in ihrem Wort 'Tote begraben und Trauernde trösten' (Die deutschen Bischöfe 81; 2005, aktualisiert 2017) formuliert haben. Für alle Fragen, die eine Bestattung betreffen, ist zunächst die jeweilige Territorialpfarrei Ansprechpartner. Sofern ein Testament vorliegt oder Angehörige in Deutschland leben beziehungsweise in der Heimat bekannt sind, sollen die Wünsche des Verstorbenen beziehungsweise der Angehörigen hinsichtlich des Begräbnisses soweit wie möglich berücksichtigt werden. Ob eine Rückführung des Verstorbenen in das Heimatland geschehen kann, lässt sich nur im Einzelfall entscheiden. Für die meisten aus politischen Gründen Geflüchteten ist das wohl eher keine Option. Wenn eine Bestattung in Deutschland erfolgt, prüfen die Territorialpfarreien, ob diese in einer bestimmten Sprache oder in einem bestimmten katholischen unierten Ritus erfolgen soll und ob es hierfür einen verfügbaren entsprechenden Seelsorger gibt." Für Angehörige anderer Religionen sieht er zuallererst die jeweiligen Glaubensgemeinschaften in der Verantwortung.

Geld für ein würdevolles Begräbnis

Insbesondere steht die Frage der Kostenübernahme im Raum, vor allem wenn der Wunsch besteht, im Land der Geburt bestattet zu werden. Grundsätzlich tragen die Angehörigen hier die finanzielle Last. Hinsichtlich der Bestattungskosten geht der Flüchtlingsbeauftragte der EKD grundsätzlich von einer Anfrage beim jeweils zuständigen Sozialamt aus, wenn kein Kontakt zu Angehörigen hergestellt werden konnte oder die Familien nicht in der Lage sind, die Bestattungskosten zu übernehmen.  In der Regel kommen die Kommunen bei einem Bestattungsfall auf. "Eine Sozialbestattung bedeutet, dass die Kosten für eine Bestattung von dem für den Sterbeort zuständigen Sozialamt übernommen werden", informiert Stefanie Schneider, Pressesprecherin vom Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie in Mainz. Und in Bayern heißt es zur Rechtslage von Flüchtlingen: "Vielmehr ist die Gemeinde zuständig, in deren Gebiet ein Flüchtling verstirbt oder tot aufgefunden wird. Diese muss, wenn eine ordnungsgemäße Bestattung nicht anderweitig sichergestellt ist, die Bestattung auf ihrem Gemeindefriedhof zulassen. Sind keine Angehörigen vorhanden oder ermittelbar, muss sie selbst für die Bestattung sorgen (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG)."

André Rieb vom hessischen Regierungspräsidium Gießen, Abteilungsbüro Abteilung VII – Flüchtlingsangelegenheiten, Erstaufnahmeeinrichtung und Integration rät, dass sich Angehörige eines verstorbenen Flüchtlings bei einem Todesfall zuerst an die Mitarbeiter des Regierungspräsidiums Gießen wenden sollen, die alle nötigen Schritte einleiten. Er teilt mit: "Auch Trauerbegleitung und Kontakt zum Bestattungsunternehmen werden von erfahrenen Sozialarbeitern oder Mitarbeitern des Regierungspräsidiums Gießen übernommen beziehungsweise veranlasst. Sofern es keine Hinterbliebenen gibt, wird entsprechend der Religionszugehörigkeit bestattet. Sofern die Hinterbliebenen in einer Erstaufnahmeeinrichtung wohnen und nicht über die entsprechenden finanziellen Mittel verfügen, übernimmt das Land Hessen die Kosten einer Erd- oder Feuerbestattung nach dem ortsüblichen Satz eines Sozialbegräbnisses auf dem nächstgelegenen Friedhof. Die Einzelheiten werden von den Sozialarbeitern in den Einrichtungen organisiert und in die Wege geleitet. Eine Überführung ist möglich, wenn die Angehörigen dies wünschen. Diese Kosten können allerdings nicht vom Land Hessen übernommen werden." Dominik Ehrentraut, stellvertretender Pressesprecher des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales in Berlin, sagt: "Übernahmefähig sind nur die Kosten für eine menschenwürdige Bestattung einfacher Art, nicht hingegen Kosten für die Überführung in das Heimatland, Todesanzeigen, Danksagungen oder für die Trauerfeier."

Es zeigen sich aber auch einzelne Fälle besonderer Solidarität. So wurden im Rahmen einer Trauerfeier im niedersächsischen Dörverden-Westen Spenden für eine Überführung des Leichnams eines 24-jährigen Eritreers zu seiner in Äthiopien lebenden Familie gesammelt. Der 24-jährige Flüchtling war im April 2015 in einer Verdener Diskothek schwer verletzt worden und starb in einer Klinik in Bremen. "Zunächst habe man überhaupt keine Kontakte zu Angehörigen herstellen können. Dann wurde die Tante ausfindig gemacht, die dann selbst nach Westen kam. Es musste ein Bestatter gefunden werden, der die Überführung ins Ausland vornehmen konnte, und diverse Gespräche mit Botschaften mussten geführt werden", schreibt die Kreiszeitung am 7. August 2017. Die Mutter des toten Flüchtlings sei dankbar, weil sie so die Möglichkeit bekam, angemessen und würdevoll Abschied von ihrem Sohn zu nehmen. Ein weiteres Beispiel besonderer Solidarität ist der Fall eines afrikanischen Flüchtlings im Gebiet der EKBO, der sich aufgrund schwerer Depressionen das Leben nahm. Die Kosten für die Rückführung des Leichnams wurden durch die Landeskirche teilweise übernommen. Dagmar Apel von der EKBO erzählt, dass dies erst nach längerer Diskussion durchzusetzen war. Sie findet wichtig, dass ein Mensch dort beigesetzt wird, wo er gelebt hat, wo er glücklich war. Die Achtsamkeit in der Durchführung der Bestattung sei auch ein Zeichen für Angehörige und Pflegende, dass wir Menschen den Tod achten. "Es ist wichtig, dass wir Sensibilität und Unterstützung zeigen. Indem wir die Toten ehren, ehren wir auch die Lebenden", sagt Apel.

Engagement und Solidarität in den Gemeinden

Wann erfährt die Öffentlichkeit, wenn in Deutschland Flüchtlinge sterben? Journalistisch berichtet werden Fälle von Gewalt. Und Todesfälle dieser Art bewegen auch evangelische Gemeinden vor Ort. Denn kirchliches Engagement findet neben den Institutionen vor allem auf der Gemeindeebene statt. Hier sind es die dramatischen Einzelfälle von zu Tode gekommen Schutzsuchenden, die öffentlich wahrgenommen werden und zum Handeln bewegen. In der Silvesternacht 2016/17 wurde der 15-jährige Syrer Odai K. in Bremen-Lüssum in einem Partyraum eines Lokals von drei Angreifern totgeschlagen. Pastorin Ulrike Florian aus Lüssum, sagt, dass sich ihre evangelische Gemeinde für die Flüchtlinge vor Ort engagiert. Die Pfarrerin stellt aber auch klar, dass sie bei Flüchtlingsbestattungen allerdings bislang nicht um Hilfe gebeten werden. Generell hätte Florian sich bereits schon vor dem gewaltsamen Tod von Odai ein deutlicheres Engagement und einen Schulterschluss mit den muslimischen Gemeinden gewünscht. Im Todesfall von Odai K. haben sich die muslimischen Gemeinden um die Bestattung gekümmert. Der Tod des Jungen hat die Pastorin sehr bewegt. "Ich hätte darüber nicht schweigen können", schlussfolgert Pastorin Ulrike Florian. Im evangelischen Gottesdienst der Gemeinde wurde mehrfach, zum Beispiel in der Predigt und in den Fürbitten, an Odai erinnert. Der Todesfall war in der Gemeinde Thema und vor allem auch im evangelischen Kindergarten, den auch einer der Täter besucht hatte und nun Kinder der Täterfamilien besuchten. "Für uns ist wichtig zu verdeutlichen, dass wir keine Unterschiede zwischen den Menschen machen. Wir wollen auch keine Unterschiede machen zwischen Kindern von Tätern und Kindern von Opfern", sagt die Pastorin. Im Rahmen des Elternabends des Kindergartens bietet sie den Eltern der meist Arabisch sprechenden Flüchtlingsfamilien generelle seelsorgerische Hilfe an. Angehörigen aller Religionen seien zudem beim evangelischen Gottesdienst herzlich willkommen.

Aber auch die kirchlichen Amtsinhaber und die sich engagierenden Gemeindemitglieder werden manchmal an die Grenze ihrer Möglichkeiten und an die Grenzen ihrer seelischen Belastbarkeit geführt. Zumindest auf der organisatorischen Ebene können Pfarrer, Seelsorgerinnen und Ehrenamtliche durch Stellen der EKD, wie durch die Beauftragten der Landeskirchen für Interkulturelle Arbeit und durch die Islam-Beauftragten, Informationen und Hilfe für ihr Anliegen erhalten.

Die Kirche als Vermittlerin

Für den Flüchtlingsbeauftragen der EKD, Manfred Rekowski, ist die Frage zentral, an wen sich die Betroffenen in einem Bestattungsfall vor Ort wenden sollen. Hier sieht er die Pfarrerinnen und Pfarrer als erste Anlaufstelle: "Sie können Vermittlungsdienste leisten, falls nicht ohnehin schon Kontakt zur Gemeinde besteht, zum Beispiel durch einen Unterstützerkreis für Geflüchtete." Kirchliche Stellen und auch die Gemeinden vor Ort könnten, falls gewünscht, beratend zur Seite stehen und wiederum Kontakte zu Ämtern oder weiteren Verwaltungsstellen herstellen. Teilweise stelle sich die Frage nach einer religiösen Bestattung. Hier könne dann unterstützt werden, Zugang zu einer bestimmten zum Beispiel kirchlichen oder muslimischen Gemeinde zu finden, sagt Burbach-Tasso, Pressesprecherin der Diakonie Deutschland. Auch zur Vermeidung interreligiöser Missverständnisse, rät Rekowski, Flüchtlingsbeauftragter der EKD, müssten zunächst die religiösen und kulturellen Hintergründe des Verstorbenen geklärt werden. Auch  hier gehe es vor allem um die Vermittlung und Herstellung von Kontakten, wobei Vertreter kirchlicher Institutionen und Kirchengemeinden aktiv werden können, Kontakte zur Familie oder zu Freunden des oder der Verstorbenen oder aber auch zu Religionsvertretern der jeweiligen Glaubensrichtung herzustellen. Hier würden auch die Islam- oder Weltanschauungsbeauftragen der Landeskirchen helfen, sagt Rekowski. 

Auch Volker Rahn von der EKHN sieht ein gut gespanntes, speziell auf Flüchtlinge abgestimmtes, teilweise professionelles Netz in der Betreuung. Er sagt: "Hier hat der Tod seinen Platz. Das Zauberwort ist hier Kultursensibilität. Die ist aber nichts Neues. Beispielsweise ist sie Alltag in der ökumenischen Notfallseelsorge. Dort gehört es zur Grundausbildung, beispielsweise muslimische Rituale zu kennen und auch die besonderen geschlechtlichen Sensibilitäten im Todesfall. Möglichst geht eine Frau zu einer Frau und ein Mann zu einem Mann, wenn eine Todesnachricht überbracht werden muss. Dann kann man sich nämlich auch mal in den Arm nehmen. Aber auch hier gilt: Sterbefälle unter Asylsuchenden bleiben die absolute Ausnahme."

Ägypten: Mindestens neun Tote bei Anschlag auf koptische Kirche

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Bei einem Anschlag auf eine Kirche sind nahe der ägyptischen Hauptstadt Kairo am Freitag mindestens neun Menschen getötet worden. Zwei bewaffnete Männer hätten vor der koptischen Kirche in Helwan im Süden Kairos um sich geschossen, berichtete die staatliche Zeitung "Al-Ahram" (Online-Ausgabe).

Fünf Menschen wurden verletzt, wie das Blatt unter Berufung auf das Gesundheits- und Innenministerium schrieb. Bei den Opfern handelt es sich demnach hauptsächlich um Christen.

Einer Erklärung der Koptischen Kirche Ägyptens zufolge wurde neben dem Gotteshaus mit dem Namen Mar Mina auch ein von Christen betriebenes Geschäft angegriffen. Zwei der Todesopfer seien bei diesem Angriff umgekommen, hieß es. Das unabhängige Nachrichtenportal Mada Masr berichtete unter Berufung auf Sicherheitsbehörden, dass ein Angreifer festgenommen wurde. Ein Augenzeuge berichtete laut Portal zudem, die Täter hätten von einem Motorrad aus auf die Menschen vor der Kirche geschossen. Unter den Toten sei auch ein Polizist, der die Kirche bewacht habe.


Unter verschärften Sicherheitsmaßnahmen bereiten sich die orthodoxen Christen in Ägypten derzeit auf ihre Weihnachtsfeiern vor. Die mehrheitlich koptischen Gläubigen befürchten weitere Anschläge von Extremisten. In den vergangenen Wochen wurden mehrere Videos über soziale Netzwerke verbreitet, die zeigten, wie fanatisierte Mobs in Ägypten Kirchen angriffen und dabei Droh-Parolen skandierten.

Bereits in der vergangenen Woche waren bei einem Anschlag auf eine Kirche mehrere Menschen getötet worden. Bei einem Angreifer, der bei einem Schusswechsel mit der Polizei starb, wurde laut einem Bericht des britischen Senders BBC ein Sprengstoffgürtel gefunden. Der zweite Angreifer entkam.  Koptische Christen machen etwa zehn Prozent der insgesamt rund 93 Millionen Einwohner Ägyptens aus.
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