© Severin Wohlleben
Nikolaus Seubert ist Steinbildhauer und hat sich auf Grabsteine spezialisiert. In Berlin-Prenzlauer Berg hat er auf dem Friedhofsgelände der Georgen-Parochialgemeinde sein Atelier. Der Besucher lässt den Lärm der Stadt hinter sich, sobald er dieses Kleinod in der Mitte Berlins betritt. Seubert hat die alte Remise als Ruine übernommen und mit viel Eigeninitiative saniert.
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Die wenigsten Menschen lassen sich zu Lebzeiten einen Grabstein anfertigen. Das Thema Tod - und wie man das eigene Ableben gestalten möchte, ist keines, das im Leben eine Rolle spielt. Und selbst, wenn es um den Tod von nahestehenden Menschen geht, wissen nicht viele, welche Möglichkeiten es gibt, das Grab zu gestalten. Es muss keine Massenware sein. Eine Grabstele kann individuell sein und so viel liebevoller an den geliebten Menschen erinnern.
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In der Remise duftet es nach frisch gebrühtem Tee, kleine Steinbildhauereien stehen auf dem Tisch. In der Werkstatt ist Nikolaus Seubert bei der Arbeit. Der Ort wirkt lebendig, obwohl es hier um den Tod geht.. Seit 1980 lebt Seubert schon in Berlin. Vom katholischen Süden in den protestantischen Norden. Das Handwerk hat er in der Ausbildung gelernt, dann den Meister gemacht und schließlich seine künstlerische Nische entdeckt.
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Gibt es einen Gegenstand, der mich an die verstorbene Person erinnert? In einer Stele ist ein Kreisel integriert. Die verstorbene Mutter hat Kreisel gesammelt, und für die Tochter war klar, dass ihr Grabstein an ihre kleine, geliebte Leidenschaft erinnern sollte.
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Die Steine, die der Handwerksmeister benutzt, kommen allesamt aus europäischen Steinbrüchen. "Keine Kinderarbeit", wie er betont. Kalkstein, Sandstein, Dolomit oder Thüringer Travertin aus Bad Langensalza – das sind die Steine, die er bearbeitet. Zuerst grob, dann sanft mit einem Marmorschaber. Soll der Stein hell sein oder dunkel? Wie möchte ich die Oberfläche haben, rau und wild oder glatt poliert? Stein ist eben nicht Stein.
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Knorrige Hölzer, alte Bienenwaben, ein alter verrosteter Sargnagel, all diese Gegenstände hat Seubert schon in seinen Stelen verarbeitet. Er finde immer etwas, wenn er durch die Natur laufe oder auch durch die Stadt. Aufs Auge komme es an. Und die Fantasie.
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Politisch ist Nikolaus Seubert, wenn es ums Sterben geht. Ein Thema, das ihn bewegt. Die Friedhofskultur habe sich verändert. Der Trend gehe hin zu Urnen, zu Feldern mit anonymen Gräbern, zum Friedwald, oft schlecht erreichbar außerhalb der Stadt. Die innerstädtischen Friedhofsflächen schrumpften - Bauland ist in Berlin viel wert. Die Kirchen bräuchten Geld. Es ginge nicht mehr um Inhalte, sondern nur noch um das richtige Maß: "Die Grabstellen sind viel zu klein, warum gibt man den Leuten nicht mehr Platz?"
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"Friedhöfe sagen sehr viel aus, über die Menschen, die hier gelebt haben." Wer kennt das nicht: Im Ausland, der kleinen Stadt in den Bergen, oder den großen Metropolen der Welt? Oft sind es die Friedhöfe, die uns reizen, die Geschichten der Menschen, die dort begraben sind, die unsere Phantasie anregen. Ein schönes Grabwort über die junge unbekannte Schönheit, die vielen Blumen am Grab desjenigen, der schon lange Zeit tot ist. Die Namen, die Verwandtschaftsverhältnisse, das Todesdatum, das überproportional oft zu lesen ist. Friedhöfe sind unser Erbe für die Nachwelt.
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Eine von Seubert gearbeitete Stele braucht Zeit. Es gibt Vorgespräche. Man nähert sich an, versucht gemeinsam eine Idee für den Stein zu entwickeln. Wenn dann feststeht, wie er aussehen soll, dann dauert es in der Regel fünf bis sechs Wochen, bis aus dem Rohstück ein Kunstwerk entstanden ist.
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Was bleibt von einem Menschen, wenn er stirbt? Wer geht, der nimmt nichts mit. Keine Reichtümer, auch keine Armut. Er bleibt in der Erinnerung derer, die ihn liebten und auch derer, die das vielleicht nicht taten. Was bleibt von einem Menschen, wenn er geht? Am Ende auch der Ort, an dem die Mutter, der Vater, das Kind, der Freund, die Freundin die letzte Ruhe findet.
Diese Bildergalerie erschien bereits am 14. September 2019.