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Bundesverwaltungsgericht begründet umstrittenes Sterbehilfe-Urteil

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Vorbereitete schmerzstillende Medikamente auf einer Palliativstation in einem deutschen Krankenhaus

Foto: epd/Werner Krüper

Vorbereitete schmerzstillende Medikamente auf einer Palliativstation in einem deutschen Krankenhaus

Darf eine Behörde Sterbewilligen todbringende Medikamente verschaffen? In Extremfällen ja, urteilte das Bundesverwaltungsgericht und sorgte damit für eine neue Sterbehilfe-Debatte. Jetzt hat das Gericht seine ausführliche Begründung veröffentlicht.

Zweieinhalb Monate nach dem aufsehenerregenden Sterbehilfe-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts haben die Leipziger Richter ihre ausführliche Begründung vorgelegt. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Grundgesetz umfasse auch das Recht eines schwer und unheilbar kranken Menschen, zu entscheiden, "wie und zu welchem Zeitpunkt sein Leben enden soll", sofern er frei darüber entscheiden kann, heißt es in dem am Mittwoch veröffentlichten 27-seitigen Papier (Urteil vom 2. März 2017, BVerwG 3 C 19.15). Im konkreten Fall ging es um eine vom Hals abwärts gelähmte Frau, die beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine tödliche Dosis Betäubungsmittel beantragt hatte.

Die Behörde lehnte den Antrag ab. Das Bundesverwaltungsgericht entschied, das Bundesinstitut hätte das Anliegen zumindest prüfen müssen. In der Urteilsbegründung heißt es, die Schutzpflicht des Staates für das Leben habe unter bestimmten Bedingungen hinter dem grundrechtlich geschützten Selbstbestimmungsrecht zurückzutreten. Das Urteil war bei Sozialverbänden und Kirchen auf Kritik gestoßen, weil in dessen Folge das Bundesinstitut darüber entscheiden müsste, ob es Medikamente für einen Suizid zur Verfügung stellt oder nicht.

Stiftung Patientenschutz kritisiert Entscheidung als "praktisch und ethisch unverantwortbar"

Dem Urteil zufolge verlangt eine entsprechende Genehmigung in Ausnahmefällen eine "extreme Notlage", in der eine Linderung des Leids oder von Schmerzen auf andere Weise nicht erreicht werden kann und eine andere "zumutbare Möglichkeit zur Verwirklichung des Sterbewunsches nicht besteht". Das Bundesinstitut sei verpflichtet, festzustellen, ob eine solche Ausnahmesituation vorliegt. Der Senat verkenne nicht, dass der Behörde dabei "schwierige Bewertungen abverlangt werden", heißt es in der Urteilsbegründung.

Die obersten deutschen Verwaltungsrichter sehen in ihrer Entscheidung der Begründung zufolge auch keinen Widerspruch zu dem im November 2015 verabschiedeten Gesetz, nach dem organisierte - sogenannte geschäftsmäßige - Hilfe bei Suizid etwa durch das Überlassen todbringender Medikamente, die der Sterbewillige dann selbst einnimmt, verboten ist. Der neue Strafrechtsparagraf biete keinen Anhalt dafür, dass der Gesetzgeber eine Erlaubnis zum Erwerb von Betäubungsmitteln zur Selbsttötung ausnahmslos verbieten wollte, argumentiert das Bundesverwaltungsgericht.

Das Gesetz zielte auf Sterbehilfeorganisationen, die teilweise gegen Geld beim Suizid helfen. Das Bundesinstitut verfolge aber keine Einzelinteressen, erklärte das Leipziger Gericht. Kritiker des Sterbehilfe-Urteils hatten argumentiert, die Entscheidung konterkariere den mit dem Gesetz von 2015 zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz bleibt auch nach der Begründung bei ihrer Kritik am Urteil. Vorstand Eugen Brysch bemängelte, es bleibe bei unbestimmten Rechtsbegriffen in der Frage, wann das Bundesinstitut die Genehmigung für den Erwerb der Medikamente erteilen kann. Auf dieser Grundlage müsse das Bundesinstitut über Leben und Tod entscheiden. "Das ist praktisch und ethisch unverantwortbar", sagte Brysch. Er forderte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) auf, dies durch einen Nichtanwendungserlass zu verhindern.

Gröhe hatte sich über das Urteil vom 2. März kritisch geäußert. Ein Sprecher des Ministeriums sagte, auch dort sei die Urteilsbegründung erst am Mittwoch eingegangen. Zusammen mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte werde sie jetzt sorgfältig geprüft und das weitere Vorgehen beraten. Will das Institut dagegen vorgehen, ist nur noch eine Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht möglich.


Schweigeminute auf dem Kirchentag für tote Flüchtlinge

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Fluchtgedenken

Foto: pr

#Fluchtgedenken: Ein Bündnis von kirchlichen und nichtkirchlichen Organisationen will am 26. Mai 2017 im Rahmen des 36. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Berlin an den Tod von mehr als 10.000 Flüchtlingen im Mittelmeer erinnern.

Mit einer Veranstaltung am Freitag, 26. Mai 2017, am Berliner Hauptbahnhof ab 11 Uhr und einer Schweigeminute um 12 Uhr solle der mehr als 10.000 Menschen gedacht werden, die in den letzten drei Jahren auf ihrer Flucht nach Europa ums Leben gekommen sind, erklärte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD). Der Deutsche Evangelische Kirchentag 2017 unterbricht für die Schweigemnute um 12 Uhr, sein gesamtes Programm, um der Toten der europäischen Außengrenzen zu gedenken.

Der Hashtag zum Gedenken.

In Anlehnung an die Losung des Kirchentags stehe die Kampagne unter dem Motto "Du siehst mich - Siehst du mich?", hieß es weiter. Dieses Motto stehe auch im Mittelpunkt einer Plakatkampagne. "Wir dürfen uns nicht an dieses tausendfache Sterben gewöhnen", so Manfred Rekowski, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland und Vorsitzender der Kammer für Migration und Integration der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD): "Wir beklagen nicht die Opfer einer Naturkatastrophe, sondern die Opfer einer Politik, die auf Abschreckung und Abschottung setzt. Dies ist mit dem christlichen Verständnis von Nächstenliebe und einer gottgegebenen Menschenwürde nicht vereinbar."

Dabei sind: Fulbert Steffensky, Christel Neudeck und Judy Baile

Prof. Dr. Gesine Schwan, Politikwissenschaftlerin und Schirmherrin der Aktion, warnt ebenfalls davor, den Notstand zur Normalität werden zu lassen: "Die aktuelle Migrationspolitik ist nicht alternativlos, sondern eine bewusste Entscheidung gegen die Menschenrechte. Statt zivile Seenotrettung zu kritisieren oder zu kriminalisieren, müssen wir endlich die Möglichkeiten menschenwürdiger Flüchtlingspolitik umsetzen. Bis dahin verantwortet Europa – und damit auch Deutschland – eine humanitäre Katastrophe."

Die Gedenkveranstaltung findet am Freitag, 26. Mai 2017, ab 11 Uhr vor dem Berliner Hauptbahnhof (Washingtonplatz) statt. Mit Musik, Zeugnisberichten von Flüchtlingen und Seenotrettern wird der Toten gedacht und Fürbitte gehalten. An der Veranstaltung wirken unter anderem mit: Fulbert Steffensky, Eddi Hüneke, Judy Bailey, Manfred Rekowski, Dr. Volker Jung, Christel Neudeck und Sea-Watch.

Die Kampagne wird den Angaben zufolge neben der EKD getragen von der Evangelischen Kirche im Rheinland, der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, der Evangelischen Kirche von Westfalen, der Lippischen Landeskirche, der Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche, Brot für die Welt, der Diakonie Deutschland, der Diakonie Katastrophenhilfe, Pro Asyl, Sea-Watch und der Berliner Stadtmission.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der erste Schuss

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Vor 50 Jahren wurde der Student Benno Ohnesorg erschossen
Benno Ohnesorg liegt blutend am Boden.

Foto: epd-bild / Keystone

Benno Ohnesorg wurde am 2. Juni 1967 bei einer Demonstration gegen den Besuch des Schahs von Persien in Berlin von Polizeimeister Karl-Heinz Kurras aus nächster Nähe erschossen.

Benno Ohnesorgs Tod vor 50 Jahren wurde zum Fanal für die Studentenproteste in den späten 1960er Jahren. Er diente aber auch Linksterroristen als Begründung für ihre Taten. Bis heute ist rätselhaft, warum der Polizist Karl-Heinz Kurras abdrückte.

Die Kugel trifft oberhalb des rechten Ohrs. "Bist du wahnsinnig, hier zu schießen?", herrscht ein Polizist seinen Kollegen Karl-Heinz-Kurras an. Neben ihnen liegt der Berliner Student Benno Ohnesorg auf dem Boden, ein dünner Faden Blut rinnt aus seinem Kopf. Seit knapp einer Woche sind der persische Schah Mohammed Reza Pahlavi und seine Gemahlin Farah Diba in Berlin zu Gast. Die Pahlavis sind nicht nur ein von der Boulevardpresse gefeiertes Ehepaar. Ihr Land ist eine brutale Diktatur.

Rund 800 bis 1.000 Menschen Demonstranten treffen sich daher am 2. Juni 1967, sie rufen "Schah, Schah, Scharlatan" und "Mörder, Mörder". Tomaten und Farbbeutel fliegen. Einer von ihnen ist der 26-jährige Romanistikstudent Benno Ohnesorg. Seine Frau ist gerade schwanger, er ist aktives Mitglied einer protestantischen Kirchengemeinde und die iranische Diktatur empört ihn. "Autonomie für die Teheraner Universität" malt er auf einen Kissenbezug und nimmt ihn mit auf die Demo vor der Oper. Er trägt Sandalen ohne Socken und ein rotes Hemd.

Gegen 20 Uhr verbreitet die Polizei die Nachricht, dass Protestierende einen Beamten erstochen hätten. Eine Falschmeldung. Doch die Polizisten zücken die Schlagstöcke und treiben die Menschen auseinander. In einem Hinterhof stellen sie eine Gruppe Fliehender, es gibt ein Gerangel. Dann fällt der Schuss. Der schwer verletzte Ohnesorg stirbt im Rettungswagen auf der Fahrt ins Krankenhaus Moabit.

Vertuschungsversuche der Polizei

Die Berliner Polizei versucht, die Umstände von Ohnesorgs Tod zu vertuschen. Sogar die Ärzte im Moabiter Krankenhaus machen mit. Sie nähen die Schusswunde an Ohnesorgs Leiche zu und geben dessen Todesursache mit "Schädelbasisbruch" an. Der Einsatzleiter der Polizei erklärt, er habe Kurras in jenem Hinterhof gar nicht gesehen.

Kurras selbst sagt im November 1967 vor Gericht aus, er sei von einer Meute mit Messern angegriffen worden, als sich ein Schuss aus seiner Pistole gelöst habe - "nur mit Zutun der mich bedrängenden Demonstranten".  Obwohl nur einer von etwa 80 Zeugen seine Version bestätigt, spricht das Gericht Kurras vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung frei. Eine Anklage wegen Totschlags hatte es gar nicht erst zugelassen. Auch ein Revisionsverfahren endet 1970 mit einem Freispruch.

Der tödliche Schuss wird für die linke Studentenbewegung zum Fanal. Der Schah, der Vietnamkrieg, der Protest gegen alte Nazis in den Verwaltungen und Universitäten und die Kugel im Kopf Ohnesorgs - all das gerinnt zu einem wütenden Protest gegen die alte Ordnung. Die sogenannten 68er krempeln damit letztendlich die gesamte Gesellschaft der Bundesrepublik um.

Auch ganz radikale Töne werden laut. Noch in der Nacht zum 3. Juni schreit eine junge Frau während einer Versammlung des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds: "Wir müssen Widerstand organisieren! Gewalt kann nur mit Gewalt beantwortet werden." Diese Frau heißt Gudrun Ensslin und wird später zu einem der führenden Mitglieder der Terrororganisation Rote-Armee-Fraktion (RAF). Zum ersten Mal tritt diese Gruppe um Ensslin und Andreas Baader am 2. April 1968 in Erscheinung, als sie zwei Kaufhäuser in Frankfurt anzünden. Banküberfälle, Morde und Bombenanschläge folgen.

Schuss gibt der Studentenbewegung Schub

Eine andere Terrorgruppe, die Berliner "Bewegung 2. Juni", benennt sich sogar nach Ohnesorgs Todesdatum. Ralf Reinders, ehemals Mitglied dieser Bewegung, erklärt diese Namenswahl im Jahr 1995: "Dieses Datum wird immer darauf hinweisen, dass sie zuerst geschossen haben." Die "Bewegung 2. Juni" geht später in der RAF auf.

Jahrzehnte nach Ohnesorgs Tod kommt heraus: Der Schütze Kurras war Agent bei der ostdeutschen Staatssicherheit, Tarnname "Otto Bohl". Mitarbeiter der Behörde des Bundesbeauftragten für Stasi-Unterlagen (BStU) finden im Jahr 2009 dessen Akte.

Aber auch wenn der Schuss der Studentenbewegung Schub gibt: Das war wohl nicht die Absicht der Stasi, Kurras war kein Agent provocateur. Dennoch ist denkbar, dass er mit dem Schuss am 2. Juni 1967 im Auftrag des Ost-Geheimdienstes gehandelt hat, erläutert der Berliner Historiker Jochen Staadt: "Kurras wusste seit Januar 1967 von einem Überläufer, der in den Westen geflohen war." Dessen Name war Bernd Ohnesorge. Möglicherweise also glaubt Kurras an jenem Abend, diesen Überläufer vor sich zu haben. "Es ist denkbar, dass er den Namen Benno Ohnesorgs gehört oder in dessen Ausweis geschaut hat", sagt Staadt.

"Wer mich angreift, wird vernichtet."

Auch andere Gründe für den Schuss auf Ohnesorg sind denkbar: Mehrfach hatte sich Kurras im Kollegenkreis abfällig über jene geäußert, die auf der Straße gegen die bleierne Atmosphäre der konservativen Republik aufbegehrten. "Bei der deutschen Polizei fand man die Studenten ekelhaft", sagt Staadt, "das galt für Ost wie für West."

Protestieren gehörte sich für die Beamten eben nicht. Hinzu kommt: Sogar der Stasi war eine "charakterliche Schwäche" ihres Spions aufgefallen, wie es in einem Dossier heißt. Kurras sei "sehr verliebt in Waffen" und habe einen "übermäßigen Hang zum Uniformtragen".

Karl-Heinz Kurras stirbt Ende 2014. Anlass für Selbstkritik sieht er offenbar sein ganzes Leben lang nicht. "Ich hätte hinhalten sollen, dass die Fetzen geflogen wären, nicht nur einmal", sagte er in einem Interview im Jahr 2007. "Fünf, sechs Mal hätte ich hinhalten sollen. Wer mich angreift, wird vernichtet. Aus. Feierabend."

Die mutigste Zeitung der Welt

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Projekt 61

Foto: screenshot

61 Journalistinnen und Journalisten kamen im Jahr 2016 ums Leben, während sie ihren Beruf ausübten. Das Projekt "Zeitung 61" erinnert an sie. Initiator Jochen Arntz über die "mutigste Zeitung der Welt" und die Hintergründe

Können Sie kurz beschreiben, was das Projekt "Zeitung 61" ist – und vor allem, wie es zu dieser Idee kam?

Jochen Arntz: Das Projekt Zeitung 61 will an die 61 Journalisten erinnern, die 2016 in Ausübung ihres Berufes ums Leben kamen. Wir haben das Projekt zum Tag der Internationalen Pressefreiheit gestartet, um die Stimmen der verstorbenen Kollegen lebendig zu halten. Die Idee ist, dass Journalisten der Berliner Zeitung und Kolleginnen und Kollegen aus anderen Redaktionen Portraits der Verstorbenen schreiben, ihre Themen und ihre Arbeit würdigen. So soll mit der Zeitung 61 im Netz ein sehr konkretes digitales Mahnmal für die  Pressefreiheit entstehen. Den ursprünglichen Impuls zu der digitalen Aktion hatte Andreas Henke, der für die Düsseldorfer Agentur Havas gearbeitet hat und weiß, wie man soziale Kampagnen vernetzt. 

Wie ist die Arbeitsweise des Projekts – wer schreibt über wen, wer soll/kann mitmachen?

Arntz: Das Projekt wird getragen von der Berliner Zeitung. Unsere Autoren, Auslandskorrespondenten und Reporter schreiben die Portraits. Manche von ihnen haben besondere Beziehungen zu bestimmten Weltregionen, wer zum Beispiel schon im Sudan war, schreibt dann vielleicht auch über getötete Kollegen dort. Aber das ist nicht zwangsläufig so, jeder kann wählen, an wen er erinnern möchte. Wir haben auch schon Kollegen aus anderen Redaktionen wie dem Focus, dem Weserkurier und der DuMont-Hauptstadtredaktion in das Projekt eingebunden. Darüber freuen wir uns, denn die Zeitung 61 wird zwar von der Berliner Zeitung getragen, ist aber offen für alle Kollegen. 

Oben im Reiter der Website steht: "Die mutigste Zeitung der Welt"– das bezieht sich auf den Mut der Journalistinnen und Journalisten, die dort präsentiert werden, oder?

Arntz: Ja, nur darauf, auf den Mut von Reporterinnen und Reportern, auch dorthin zu gehen, wo es gefährlich ist.

"Kriegsparteien müssen begreifen, dass Journalisten nicht Teil einer Kriegspartei sind"

Was würden Sie Leuten entgegnen, die sinngemäß etwas sagen wie: "Selbst schuld, die könnten ja auch über Fußball berichten oder besser aufpassen…"?

Arntz: Es wird immer Leute geben, Korrespondenten vor allem, die auch dort recherchieren, wo man sich in Gefahr bringt, weil sich Leserinnen und Leser sonst kein Bild von dieser Welt machen können. Außerdem leben viele der getöteten Journalisten in gefährlichen Ländern, sie sind also in ihrer Heimat ohnehin großen Gefahren ausgesetzt. Ich glaube allerdings, dass gerade Journalisten in Kriegs- und Krisengebieten sehr umsichtig sind. Aber das Risiko bleibt.

"Zeitung 61" geht an die Öffentlichkeit und gibt den toten Kolleginnen und Kollegen eine Stimme. Welche Unterstützung bräuchte es Ihrer Meinung nach noch, um in Zukunft die Zahl der Getöteten zu verringern und Journalisten besser zu schützen?

Arntz: Kriegsparteien müssen begreifen, dass Journalisten nicht Teil einer Kriegspartei sind. Die organisierte Kriminalität zum Beispiel in Südamerika darf keinen Erfolg haben bei dem Versuch, Journalisten im wahrsten Sinne des Wortes mundtot zu machen. Und Redaktionen müssen ihre Journalisten so ausrüsten, dass maximale Sicherheit gewährleistet ist. Keine noch so wichtige Geschichte kann es wert sein, einen Kollegen in Gefahr zu bringen. 

Haben Sie Pläne, das Projekt fortzuführen – es ist ja leider zu befürchten, dass es auch in Zukunft weitere Todesfälle geben wird?

Arntz: Das haben wir noch nicht entschieden, aber ich fände es gut, wenn wir den getöteten Kolleginnen und Kollegen mit dem Projekt auf Dauer eine Stimme geben und an Sie erinnern würden. Das werden wir auch in der Berliner Zeitung tun.

Altbundeskanzler Helmut Kohl ist tot

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Altbundeskanzler Helmut Kohl

Altbundeskanzler Helmut Kohl im Jahr 2013.

Der Altkanzler ist am Freitagmorgen in seinem Haus in Ludwigshafen im Alter von 87 Jahren gestorben, wie sein Anwalt Stephan Holthoff-Pförtner der Deutschen Presse-Agentur am Freitag mitteilte. Zuerst berichtete die «Bild»-Zeitung darüber. Von 1982 bis 1998 war Kohl Bundeskanzler - länger als jeder andere bisher.

Wiedervereinigung und europäische Einheit waren seine Lebensprojekte: Altkanzler Helmut Kohl ist im Alter von 87 Jahren gestorben. Schon seit längerem hatte er mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen: 2008 stürzte er schwer und zog sich ein Schädel-Hirn-Trauma zu, als dessen Folge er kaum noch sprechen konnte. Der "Kanzler der Einheit" trat in den vergangenen Jahren nur noch selten in der Öffentlichkeit auf. Jahrzehnte war er die prägende Person der CDU. Zuletzt überschattete seine private Tragödie politische Fragen.

Kohl wurde 1930 in Ludwigshafen geboren. Seine politische Karriere begann er als Kommunalpolitiker in seiner Heimatstadt. 1969 wurde er im Alter von 39 Jahren Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz. 1976 wechselte er auf die Bundesebene und übernahm den Vorsitz der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag. Von 1982 bis 1998 war er Bundeskanzler. Mit seiner Kanzlerschaft sind vor allem die deutsche Wiedervereinigung sowie die europäische Einigung verbunden.

"Er hat seine Sache erstklassig gemacht"

An die Öffentlichkeit wandte sich Helmut Kohl zwar nur noch selten, doch für Schlagzeilen sorgte er immer noch. Zuletzt stritt er mit seinem Biografen Heribert Schwan über die Verwertung von Zitaten aus Gesprächen. Außerdem stand Kohls Privatleben immer wieder im Fokus, vor allem wurde über den Einfluss seiner zweiten Ehefrau Maike Richter diskutiert.

Sein Vater habe zu weiten Teilen seines alten Umfeldes einschließlich seiner Familie den Kontakt abgebrochen, berichtete sein Sohn Walter Kohl. Seinen 85. Geburtstag im April feierte der Altkanzler im engsten Kreis. Seit einem Sturz vor sieben Jahren saß er im Rollstuhl und konnte nur noch mühsam sprechen.

Politisch hatte er Jahrzehnte lang an den ganz großen Rädern gedreht. Sein Meisterstück, für das ihm auch politische Widersacher Respekt zollen, ist die deutsche Wiedervereinigung, auch wenn ihm das leichtfertige Versprechen "blühender Landschaften" lange vorgehalten wird. "89 - das war eine Glanzleistung", bescheinigt Altkanzler Helmut Schmidt (SPD) dem rund zehn Jahre jüngeren Amtsnachfolger. "Er hat seine Sache erstklassig gemacht. Großes Lob von meiner Seite", sagte Schmidt 2010. 



Jean-Claude Juncker, EU-Kommissionschef und Christdemokrat aus Luxemburg, nennt den Altkanzler einen deutschen und europäischen Patrioten. Und Heiner Geißler, der als Generalsekretär den Aufstand gegen den CDU-Chef probte, würdigt Kohl europäische Verdienste: "Dass Europa vorangekommen ist, das hat Europa, aber auch Deutschland zu einem ganz großen Teil ihm zu verdanken."

Geboren und aufgewachsen ist Kohl im pfälzischen Ludwigshafen, wo er die Irrungen der NS-Zeit und die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs erlebt. Trotz aller hohen Ämter ist er dort bis heute fest verwurzelt. Von besonderem Einfluss ist in den Kinder- und Jugendjahren neben dem Elternhaus das katholische Pfarrhaus in Limburgerhof. In der "Sonntagsschule" des Dekans Johannes Finck, so berichtet Kohl in seinen Erinnerungen, erhielt er sein politisches Rüstzeug.

Rasch nach 1945 schließt er sich der CDU an. Kohl studiert Geschichte, Rechts- und Staatswissenschaften an den Universitäten Frankfurt und Heidelberg und ist anschließend kurze Zeit in der Industrie tätig. Mit 29 Jahren wird er in den Mainzer Landtag gewählt und macht fortan der alten Garde der CDU das Leben schwer. Von Anfang an ist die Partei die entscheidende Ressource seiner Macht. Kohl pflegt unermüdlich seine Kontakte bis hin zu den Kreisvorsitzenden, berichten Vertraute. Das Telefon ist sein Machtinstrument, immer wieder lässt er von sich hören. "Kohl lebte in Symbiose mit seiner Partei, wie er sich später mit der Mehrheit der Deutschen symbiotisch verbunden fühlte", schreibt der Göttinger Parteienforscher Franz Walter.

Mehr als 25 Jahre an der CDU-Spitze

Mit 39 Jahren übernimmt Kohl 1969 das Amt des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten von Peter Altmeier. Der "Modernisierer" schart eine junge Mannschaft um sich, zu der exzellente Köpfe wie Heiner Geißler, Bernhard Vogel und Roman Herzog gehören. Im Juni 1973 wählt ihn die CDU zum Bundesvorsitzenden. Der CDU-Chef fördert politische Talente wie Richard von Weizsäcker und Kurt Biedenkopf und treibt den Umbau der CDU vom Honoratiorenverein zur modernen Partei voran.

1976 wechselt Kohl auf die Bundesebene und wird Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Im Oktober 1982 wird er durch ein konstruktives Misstrauensvotum gegen Kanzler Helmut Schmidt Bundeskanzler. Mit seiner Kanzlerschaft verbunden sind neben manchen Krisen auch wichtige Etappen der europäischen Einigung und die Wiedervereinigung. Die deutsch-französische Achse, verkörpert in so verschiedenen Charakteren wie Kohl und dem französischen Staatspräsidenten François Mitterrand, vermochte manches Stottern in der EU zu überwinden. "Ohne den Pfälzer hätte es den Euro nicht gegeben", bescheinigte ihm der Saarländer und ehemalige SPD-Chef Oskar Lafontaine.

Wenn auch die Meriten des Staatsmanns in der Europa- und Deutschlandpolitik unstrittig sind, so ist der Innenpolitiker und Parteimann Kohl umstritten. Regierungschef ist er 16 Jahre, und mehr als 25 Jahre steht er an der Spitze der CDU. Bei seiner ersten Wahl zum Bundeskanzler 1982 wird er als Provinzpolitiker verspottet. Als Aussitzen wird seine Regierungsmethode kritisiert, manche Medien verachtet er und mit den Intellektuellen fremdelt er. Doch Kohl - robust und zäh - regiert länger als jeder seiner Vorgänger.

Erst politisches Drama, dann private Tragödie

Kohls Wahlniederlage 1998 führt zu einem konfessionellen Wechsel an der CDU-Spitze. Nachfolger des "schwarzen Riesen" und katholischen Parteipatriarchen, der im Speyerer Dom seine "Hauskirche" sieht und den Mainzer Bischof zu seinen Vertrauten zählt, sind Protestanten - Wolfgang Schäuble und Angela Merkel, beide der Talentschmiede der Kohl-Ära entstammend.

Es folgen "Horrorjahre", wie der Kohl-Biograf und Zeithistoriker Hans-Peter Schwarz die Vorgänge nach dem Ende der Kanzlerschaft bezeichnet. Weil er in der Parteispendenaffäre mit Hinweis auf sein Ehrenwort die Namen von Millionen-Spendern nicht preisgeben wollte, musste Kohl den Ehrenvorsitz der CDU räumen. Auf das politische Drama folgt die private Tragödie: Kohls an einer unheilbaren Krankheit leidende Ehefrau Hannelore nimmt sich 2001 das Leben. Um die Bewertung von Kohls politischer Leistung ging es in der öffentlichen Debatte kaum mehr.

"Wir trauern um einen großen Staatsmann"

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Politiker aus dem In- und Ausland trauern um Helmut Kohl
Helmut Kohl

Foto: REUTERS/Johannes Eisele

Altbundeskanzler Helmut Kohl an seinem 80. Geburtstag im Jahr 2010.

Der CDU-Politiker starb nach langer Krankheit am Freitag im Alter von 87 Jahren in seinem Geburtsort Ludwigshafen, bestätigte die CDU und seine Familie den Medien. Politiker im In- und Ausland äußerten ihre Trauer und Betroffenheit. Sie würdigten Kohls Einsatz für die deutsche Einheit und den Zusammenhalt Europas. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte Kohl einen "Glücksfall für uns Deutsche". Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erklärte, Kohl werde als "Ehrenbürger Europas" in Erinnerung bleiben.

Merkel sagte in einer ersten Stellungnahme mit Blick auf die deutsche Einheit, entschlossen und geschickt hätten Kohl und seine Mitstreiter die Gunst der Stunde genutzt. "Das war höchste Staatskunst im Dienste der Menschen und des Friedens.". Die Deutschen hätten ihm viel zu verdanken. Sein Tod erfülle sie mit tiefer Trauer, sagte Merkel unmittelbar nach ihrer Ankunft am Freitag in Rom. An diesem Samstag wird sie von Papst Franziskus in einer Privataudienz empfangen.

Bundespräsident Steinmeier erklärte, Kohl sei es gelungen, "die deutsche Einheit im friedlichen Einvernehmen und in guter Partnerschaft mit unseren europäischen Nachbarn zu erreichen". Kohl habe sich um "unser Land und um Europa verdient gemacht. Wir trauern um einen großen Staatsmann - sein Werk wird Bestand haben", unterstrich der Bundespräsident.

Brücken nach Osten und nach Westen

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zeigte sich tief getroffen vom Tod des früheren Bundeskanzlers. "Helmut Kohl hat das europäische Haus mit Leben erfüllt, nicht nur, weil er Brücken nach Westen wie nach Osten gebaut hat, sondern auch, weil er niemals aufgehört hat, noch bessere Baupläne für die Zukunft Europas zu entwerfen", so Juncker.

UN-Generalsekretär António Guterres reagierte mit großer Trauer auf den Tod Kohls. Der frühere Bundeskanzler habe eine Schlüsselrolle bei der friedlichen Wiedervereinigung Deutschlands und dem historischen Prozess der europäischen Integration gespielt. Das heutige Europa sei ein Ergebnis der Vision und Hartnäckigkeit Kohls, hob der ehemalige portugiesische Premierminister hervor.

"Größter Respekt" für historische Leistung

Bundesaußenminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) bezeichnete Kohl als "wirklich großen Deutschen". "Er war ein großer Staatsmann, ein großer deutscher Politiker und vor allem ein großer Europäer, der sehr viel dafür getan hat, dass nicht nur die Deutsche Einheit gekommen ist, sondern auch dass Europa zusammengewachsen ist", teilte Gabriel mit. "Das ist sein großes Vermächtnis. So wird er uns in Erinnerung bleiben."

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) erklärte: Mit Kohl "trauern wir um eine Persönlichkeit von historischer Größe, einen deutschen Patrioten und den Ehrenbürger Europas. Kohls Gabe, persönliche Freundschaften zu Staatschefs in aller Welt aufzubauen, "schuf Vertrauen in die Verlässlichkeit deutscher Politik", so Lammert.

Auch ehemalige politische Gegner würdigten Kohls Lebenswerk. Altbundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) nannte ihn einen "großen Patrioten und Europäer". Die Einigung "unseres Landes und unseres Kontinents wird auf alle Zeit auch mit seinem Namen verbunden bleiben", sagte Schröder dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) in Hannover. Obwohl er in vielen politischen Fragen anders dachte als Kohl, habe er für dessen historische Leistung "größten Respekt", erklärte Schröder.

"Trauer um einen großen Europäer"

Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, verglich Kohl mit dem ersten deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer. Als Kohls Vermächtnis bleibe, "dass wir uns auch in Zukunft für das einige Europa einsetzen müssen. Europa hat Helmut Kohl immer als Friedensversicherung für die kommenden Generationen angesehen. Gerade in diesen außenpolitisch unruhigen Zeiten sollten wir uns immer daran erinnern, wie wichtig das geeinte Europa für uns ist."

Die Linken-Politiker Katja Kipping, Sahra Wagenknecht, Bernd Riexinger und Dietmar Bartsch erklärten, über alle politischen Differenzen hinweg "steht heute die Trauer um einen großen Europäer" im Vordergrund. Kohl habe die soziale "Spaltung des Landes nie so groß werden lassen wie seine Nachfolger und es vermieden, die Bundesrepublik in militärische Abenteuer zu stürzen".

Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin sagte zum Tode Kohls, "schon in seiner Jugend hat er versucht, die Grenzpfähle zwischen Deutschland und Frankreich abzubauen." Zwar hätten sich die Grünen gegen ihn gegründet und zu seiner Abwahl beigetragen. "Aber sein Verdienst um die unumstößliche Einbindung des vereinten Deutschland in Europa wird bleiben", sagte Trittin dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) würdigte den verstorbenen Altbundeskanzler Helmut Kohl als "Ausnahme-Politiker". Kohl sei "einer der ganz großen Kanzler der Bundesrepublik, ein international hoch geschätzter Staatsmann und ein überzeugter Europäer" gewesen, betonte Seehofer in einer Pressemitteilung. Helmut Kohl habe immer an die deutsche Einheit geglaubt, auf sie hingearbeitet und im "richtigen Moment mit Tatkraft, Entschlossenheit, Geschick und Weitblick die historisch einmalige Chance zur Wiedervereinigung ergriffen".

Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sagte am Freitagabend in Wiesbaden: "Wir verlieren mit Helmut Kohl einen großen Kanzler und wahrhaftigen Europäer." Hessen, Deutschland, Europa und die Welt habe ihm viel zu verdanken. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) nannte Kohl einen der "herausragenden politischen Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts". Er habe die europäische Idee verkörpert wie wenige andere.

Auch Kirchenvertreter nehmen Anteil

Als Mensch und Politiker habe Kohl "Weitblick mit Realismus" und "Visionen mit Freundschaft" verbunden, erklärten der EKD-Ratsvorsitzende, der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, und die Präses der EKD-Synode, Irmgard Schwaetzer, in einem Kondolenzschreiben an Kohls Witwe Maike Kohl-Richter.

"Ohne das Vertrauen, das Helmut Kohl bei vielen Politikern in aller Welt genoss, wäre die deutsche Einheit nicht so schnell und so friedlich zustande gekommen", schreiben Bedford-Strohm und Schwaetzer. Zugleich hoben die EKD-Vertreter die maßgebliche Rolle Kohls für die europäische Einigung hervor: "Gemeinsam mit anderen jungen Europäern wollte Kohl symbolisch die Schlagbäume beseitigen."  Das Schengener Abkommen, das die Grenzkontrollen zwischen den beteiligten Staaten abschaffte, und die Wirtschafts- und Währungsunion seien in erheblichem Maße sein Werk.  "Gerade jetzt - in einer Zeit, in der die Europäische Union von vielen Menschen infrage gestellt wird - erinnert die Evangelische Kirche in Deutschland mit Dank an den Beitrag Helmut Kohls dazu, diese Union zu entwickeln und den Frieden auf unserem Kontinent zu stärken."

Der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Volker Jung, bezeichnete Kohl als "außerordentlich bedeutenden Staatsmann", mit dessen politischen Wirken die deutsche Wiedervereinigung und die Stärkung Europas untrennbar verbunden seien. Er habe immer wieder das Gespräch mit den Kirchen gesucht und sei für sie "ein hervorragender Gesprächspartner" gewesen. Christian Schad, der pfälzische Kirchenpräsident, würdigte Kohl als jemanden, der die Einheit Deutschlands und die europäische Einigung gestaltet habe. "Heute wissen wir, wie unendlich kostbar dieses Einigungswerk war und ist", sagte Schad.

Der Bischof des katholischen Bistums Speyer, Karl-Heinz Wiesemann, hob hervor, Kohl habe stets "die Bedeutung des christlichen Glaubens für ein Zusammenleben in Frieden und Gerechtigkeit" im Blick gehabt. Er habe sich auch als Politiker offen zu seinem Glauben bekannt. Zeitlebens habe er eine lebendige Beziehung zum Bistum und zu seiner Heimatpfarrei in Ludwigshafen-Oggersheim gepflegt. Er habe sich auch außerordentlich um den Erhalt des Speyrer Doms verdient gemacht.

Papst bekundet "aufrichtige Anteilnahme"

Papst Franziskus hat den verstorbenen Altkanzler Helmut Kohl als großen Staatsmann und überzeugten Europäer gewürdigt. "Die Nachricht vom Heimgang des Bundeskanzlers a. D. Helmut Kohl nach langer schwerer Krankheit hat mich tief bewegt. Der Familie des Verstorbenen wie auch Ihnen und dem ganzen deutschen Volk, das um den 'Kanzler der Einheit' trauert, bekunde ich aufrichtige Anteilnahme", erklärte das katholische Kirchenoberhaupt nach Angaben des vatikanischen Presseamtes am Samstag in einer Privataudienz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Rom.

Als "großer Staatsmann und überzeugter Europäer" habe Kohl mit Weitblick und Hingabe für das Wohl der Menschen in Deutschland und der europäischen Nachbarn gearbeitet, fügte Franziskus hinzu: "Der barmherzige Gott lohne ihm sein unermüdliches Wirken für die Einheit Deutschlands und die Einigung Europas sowie seinen Einsatz für Frieden und Versöhnung." Kohl gehörte der katholischen Kirche an.

Kondolenzbücher im Roten Rathaus und im Bundeskanzleramt

Im Berliner Roten Rathaus sowie im Bundeskanzleramt liegen ab Montag Kondolenzbücher zum Tod von Helmut Kohl aus. Dort könnten Bürger kondolieren und Abschied nehmen, teilte eine Sprecherin der Bundesregierung und die Senatskanzlei am Wochenende in Berlin mit.

Zugang zum Kanzleramt besteht am Sonntag zwischen 12 und 18 Uhr und ab Montag bis kommenden Freitag von 9 bis 18 Uhr. Besucher sollten sich mit einem Personalausweis oder Reisepass ausweisen können und auf große Gepäckstücke verzichten. 

Im Roten Rathaus liegt ein Kondolenzbuch ab Montag bis einschließlich Freitag aus. Der Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses, Ralf Wieland (SPD), und - in seiner Funktion als Bürgermeister - Kultursenator Klaus Lederer (Linke) werden sich Montagmorgen um 9 Uhr dort eintragen. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) befindet sich noch auf einer Dienstreise. Das Rote Rathaus steht für Besucher jeweils bis 18 Uhr offen. 

CDU schlägt Helmut-Kohl-Stiftung vor

Berliner Christdemokraten haben eine Stiftung in Gedenken an den am Freitag gestorbenen Altkanzler Helmut Kohl angeregt. "Helmut Kohl sollte durch eine Gedenkstiftung, wie es sie für andere herausragende Politiker gibt, geehrt werden", sagte die Berliner Parteichefin Monika Grütters dem Berliner "Tagesspiegel" (Sonntag) mit Blick auf die sechs überparteilichen Politikergedenkstiftungen in Deutschland. Diese erinnern an bedeutende Staatsmänner wie Konrad Adenauer, Willy Brandt oder Helmut Schmidt.

Für Grütters, die auch Kulturstaatsministerin im Bund ist, komme als Kohl-Gedenkort zuerst Berlin infrage, hieß es weiter. Kohl sei immer ein "glühender Vertreter der Idee der Hauptstadt Berlin" gewesen. Eine Gedenkstiftung schließt Grütters zufolge nicht aus, auch eine Straße oder einen Platz in Berlin nach dem Ex-Kanzler zu benennen: "Denn Helmut Kohls Wirken hat diese Stadt radikal verändert."

Auch Mario Czaja, CDU-Kreischef in Marzahn-Hellersdorf und Leiter des Zukunftsforums der Berliner Partei, plädiert für eine Gedenkstiftung. "Helmut Kohl hat weit über seine Amtszeit hinaus Fundamente für Europa und Deutschland gelegt. Darauf können viele weiteren Generationen aufbauen", sagte Czaja dem "Tagesspiegel".

Europäischer Trauerakt für Helmut Kohl am 1. Juli

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Altbundeskanzler Helmut Kohl (CDU) stellt im November 2007 in Berlin den dritten Band seiner Lebenserinnerungen vor.

Foto: dpa/Tim Brakemeier

Altbundeskanzler Helmut Kohl ist im Alter von 87 Jahren gestorben.

Der verstorbene frühere Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) wird am 1. Juli 2017 mit einem europäischen Trauerakt im Europaparlament in Straßburg geehrt.

Im Anschluss werde auch in Deutschland ein staatliches Trauerzeremoniell stattfinden, teilte das Bundesinnenministerium am Dienstagabend in Berlin mit. Nach einem Requiem im Dom zu Speyer werde es ein militärisches Abschiedszeremoniell mit Ehrenformation geben.

Einen nationalen Staatsakt für Kohl wird es nicht geben. Der Verzicht auf einen zusätzlichen nationalen Staatsakt sei der Wunsch der Witwe Maike Kohl-Richter, teilten Bundespräsidialamt und Bundesinnenministerium mit. Kohl war nach langer Krankheit am Freitag im Alter von 87 Jahren in seinem Geburtsort Ludwigshafen gestorben.

Bei dem Trauerakt in Straßburg werden nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" (Mittwoch) neben Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker auch der ehemalige US-Präsident Bill Clinton und der frühere spanische Ministerpräsident Felipe González sprechen. Beide waren politische Weggefährten Kohls während dessen Kanzlerschaft.

Im Dom zu Speyer liegt derzeit ein Kondolenzbuch für den verstorbenen Altbundeskanzler aus. Über die Ausrichtung einer Totenmesse im Dom sei das Bistum Speyer derzeit in Gesprächen mit der Familie Kohl, hatte ein Bistumssprecher am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd) mitgeteilt. Mit dem Speyerer Dom verband den gläubigen Katholiken Kohl eine lebenslange intensive Beziehung.

Kirchen gegen geplante Lockerungen bei Bestattung

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Ein Gesetzentwurf der niedersächsischen Landesregierung zur Lockerung des Bestattungswesens stößt auf Einwände bei den evangelischen Kirchen.

Kritisiert wurde vor allem, dass danach künftig das Verstreuen der Asche auf einem dafür vorgesehen Feld eines Friedhofs erlaubt werden soll. Dabei stelle sich die Frage, ob "die Totenruhe" hinreichend gewährleistet sei, heißt es in einer Stellungnahme der Konföderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt.

"Manipulationen" an der Asche lehne die Kirche ab. Aus ethischen Gründen halte sie das Verstreuen für nicht vertretbar: "Wir bitten von dieser Neuregelung Abstand zu nehmen." Gleiches gelte für die Herstellung eines Diamanten mit Teilen der Asche. Der Gesetzentwurf hatte hingegen geltend gemacht, es widerspreche der Menschenwürde, wenn der Gesetzgeber die Möglichkeit einer "erdfreien Bestattung" verweigere.

Das Land Bremen war vor zweieinhalb Jahren noch einen Schritt weiter gegangen als der Gesetzentwurf für Niedersachsen. Das kleinste Bundesland beschloss im November 2014, dass erstmals in Deutschland die Asche Verstorbener auf privaten Flächen außerhalb von Friedhöfen ausgestreut werden darf. Das ist allerdings an eine Reihe von Bedingungen geknüpft. Unter anderem muss der ausdrückliche Wille des Verstorbenen dazu schriftlich vorliegen. Im ersten Jahr nach der Neuregelung nahmen Angehörige dies in rund 50 Fällen in Anspruch. Auch in Parks oder an Flüssen ist das Verstreuen der Totenasche mit einer Sondergenehmigung seither möglich.

Die Kirchen in Niedersachsen begrüßen es, dass Niedersachsen anders als Bremen die Friedhofspflicht beibehalten will. Kritik äußern sie dagegen auch zur geplanten Lockerung bei der Umbettung von Urnen. Zwar komme es den Wünschen einer mobilen Gesellschaft entgegen, wenn etwa eine Witwe umziehe und die Urne des verstorbenen Ehepartners dann umgebettet werde, um die Entfernung zum Grab gering zu halten. Es sei aber zu erwägen, ob diese Gründe es wirklich rechtfertigten, "die Totenruhe massiv zu stören". Zwar habe die Kirche die begründeten Wünsche ihrer lebenden Mitglieder zu achten. "Aber sie hat auch eine Verantwortung für die Ruhe ihrer verstorbenen Glieder."


Gottesdienst für verstorbenen Altkanzler Kohl in Berlin

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Blick in die St. Hedwigs-Kathedrale am Bebelplatz in Berlin Mitte.

Foto: dpa/Jens Kalaene

Blick in die St. Hedwigs-Kathedrale am Bebelplatz in Berlin Mitte (Archiv).

Für den verstorbenen Altbundeskanzler Helmut Kohl (CDU) soll in Berlin ein Gedenkgottesdienst gefeiert werden. Die Totenmesse ist für kommenden Dienstag um 7.30 Uhr in der Berliner St.-Hedwigs-Kathedrale geplant, wie die Unions-Bundestagsfraktion am Freitag in Berlin mitteilte.

Mit der Messe werde dem Wunsch vieler Abgeordneter entsprochen, auch in der Hauptstadt des wiedervereinigten Deutschland und am Sitz des Bundestages in einer kirchlichen Feier an Kohl zu erinnern.

Nach Angaben der stellvertretenden Regierungssprecherin wird Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an dem Gottesdienst teilnehmen. Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert und Unions-Fraktionschef Volker Kauder (beide CDU) seien als Teilnehmer vorgesehen. Seitens der katholischen Kirche nehmen Informationen aus dem Erzbistum Berlin zufolge unter anderem Prälat Karl Jüsten und Berlins katholischer Erzbischof Heiner Koch teil. Kohl war am vergangenen Freitag im Alter von 87 Jahren in seinem Heimatort Ludwigshafen gestorben.

Am Donnerstag hatte der Bundestag des verstorbenen Altkanzlers gedacht. Am 1. Juli wird Kohl mit einem europäischen Trauerakt in Straßburg geehrt. Der Leichnam des CDU-Politikers soll im Anschluss per Hubschrauber nach Ludwigshafen, Kohls Geburtsort, geflogen werden. Von dort wird der Leichnam nach Speyer überführt, wo nach einer Totenmesse im Dom ein staatliches Trauerzeremoniell geplant ist. Kohl wird seine letzte Ruhestätte auf dem Areal des Speyerer Domkapitelfriedhofs finden.

Der Speyerer Dom ist ab Mittwoch zur Vorbereitung des Requiems geschlossen. Der Gottesdienst am 1. Juli werde live im Fernsehen übertragen, teilte das Bistum Speyer mit. Aus organisatorischen Gründen seien umfangreiche Vorarbeiten, technische Prüfungen und Proben des Ablaufs erforderlich.

 

Ablauf des Trauerzeremoniells für Altbundeskanzler Kohl steht fest

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Helmut Kohl

Foto: dpa/Tim Brakemeier

Nach Informationen der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS) werden acht Vertreter des Eurokorps, der Europäischen Grenz - und Küstenwache (Frontex) und des Europäischen Freiwilligendienstes den Sarg nach dem Trauerakt im Straßburger Parlament hinaustragen.

Der Ablauf des Trauerzeremoniells für den früheren Bundeskanzler Helmut Kohl am 1. Juli steht im Wesentlichen fest. Wie das Bundesinnenministerium am Samstag in Berlin mitteilte, wird der Europäische Trauerakt zwischen elf und 13 Uhr im Europaparlament in Straßburg stattfinden, der Sarg wird mit einer Europaflagge bedeckt sein. Um 18 Uhr beginnt im Dom zu Speyer ein Pontifikalrequiem, danach findet ein "Großes militärisches Ehrengeleit" auf dem Domplatz statt. Am späteren Abend wird Kohl auf dem Friedhof des Speyerer Domkapitels im Adenauerpark beigesetzt - im Familien- und Freundeskreis. 

Nach Informationen der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (FAS) werden acht Vertreter des Eurokorps, der Europäischen Grenz - und Küstenwache (Frontex) und des Europäischen Freiwilligendienstes den Sarg nach dem Trauerakt im Straßburger Parlament hinaustragen. Laut Ministerium wird er gegen 14 Uhr mit einem Hubschrauber der Bundespolizei von Straßburg zurück nach Deutschland geflogen. 



Vom Landesplatz Ludwigshafen aus werde der Leichnam Kohls dann nach Speyer überführt, wobei der Sarg mit einer Bundesdienstflagge bedeckt sei. Der Hubschrauber wird in der Nähe von Kohls Wohnort Oggersheim landen, wo er in seinen Zeiten als Kanzler auch ankam und von seinem Fahrer abgeholt wurde, wie die FAS berichtete. Von dort aus geht die letzte Reise mit einem Schiff des Bundes weiter, etwa 20 Kilometer rheinabwärts nach Speyer. 

Das Requiem für den Altbundeskanzler werde auf einem Großbildschirm in den südlichen Domgarten übertragen, teilte das Bistum Speyer am Samstag mit. Dort gebe es rund 3.000 Stehplätze für die Öffentlichkeit. Im Dominnern könnten aus Sicherheitsgründen ausschließlich Gäste an der Totenmesse teilnehmen, die über die Protokollabteilung des Bundesinnenministeriums eingeladen würden. Der Gottesdienst soll etwa eineinhalb Stunden dauern. 

Grab neben der Friedenskirche St. Bernhard

Kohl findet seine letzte Ruhestätte auf dem Areal des Domkapitelfriedhofs. Zur Grabstätte werde ein öffentlicher Zugang vom angrenzenden Adenauer-Park geschaffen, sagte ein Bistumssprecher. Mit dem Speyerer Dom verband den gläubigen Katholiken Kohl eine lebenslange intensive Beziehung. Im Dom liegt ein Kondolenzbuch für den Altbundeskanzler aus. 

Die Familie Kohl habe sich schon vor zwei Jahren wegen der Begräbnisstätte an die Stadt Speyer gewandt, berichtete die FAS. Auch eine Bestattung auf dem städtischen Friedhof sei zeitweise erwogen worden. Für das Grab auf dem Friedhof des Domkapitels wurde eine Fläche neben der in den 50er Jahren von Deutschen und Franzosen erbauten Friedenskirche St. Bernhard ausgewählt.  

Helmut Kohl war am Freitag vor einer Woche (16. Juni) im Alter von 87 Jahren in seinem Geburtsort Ludwigshafen gestorben.

Bundestagsabgeordnete nehmen Abschied von Altbundeskanzler Kohl

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Zahlreiche Bundesminister und Abgeordnete aus allen Fraktionen nehmen mit einer Totenmesse Abschied von Altbundeskanzler Helmut Kohl (CDU).

Foto: epd-bild/Rolf Zöllner

Mitglieder der Bundesregierung und Abgeordnete des Deustchen Bundestages nehmen in der Hedwigskathedrale in Berlin Abschied von Altkanzler Helmut Kohl.

Wenige Tage vor dem offiziellen Trauerzeremoniell in Straßburg und Speyer haben am Dienstag in Berlin zahlreiche Bundesminister und Abgeordnete aus allen Fraktionen mit einer Totenmesse Abschied von Altbundeskanzler Helmut Kohl (CDU) genommen. Zu dem Gottesdienst in der katholischen St. Hedwigs-Kathedrale kamen auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sowie Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundestagspräsident Norbert Lammert (beide CDU).

Der Vorsitzende der Unionsfraktion Volker Kauder würdigte Altbundeskanzler Kohl als großen Europäer und deutschen Patrioten. Patriot zu sein bedeute in heutiger Zeit, Europäer zu sein, sagte Kauder. Die "vielleicht größte Vision" Kohls und seiner Generation sei ein Europa ohne Grenzen und in Frieden. Diese Leistung einer ganzen Generation gelte es zu bewahren: "Wir verneigen uns vor dem großen Lebenswerk Helmut Kohls".

Erzbischof Heiner Koch sagte, mit dem Gedenkgottesdienst werde ein Zeichen der Verbundenheit und des Glaubens gesetzt. Das ehemals geteilte Erzbistum Berlin wisse, was es dem Europäer und Katholiken Kohl zu verdanken habe. Prälat Karl Jüsten, der Leiter des Katholischen Büros in Berlin, ging in seiner Predigt auf den Glauben des Katholiken Kohl ein. Er habe ihm in schwierigen Entscheidungssituationen den Mut zum Handeln gegeben. Mit Blick auf die zerstrittene Familie Kohl wünschte er den Angehörigen Versöhnung und Frieden.

Die Totenmesse war von der Unionsfraktion initiiert worden. Damit sollte dem Wunsch vieler Abgeordneter entsprochen werden, auch in der Bundeshauptstadt im Rahmen einer kirchlichen Feier Kohls zu gedenken. Für den CDU-Politiker, der von 1982 bis 1998 Bundeskanzler war und die deutsche Einheit vorantrieb, wird es am Samstag erstmals einen europäischen Trauerakt im Europäischen Parlament Straßburg geben. Anschließend soll der Leichnam in Speyer beigesetzt werden. Kohl war am 16. Juni im Alter von 87 Jahren in seiner Geburtsstadt Ludwigshafen gestorben.

Das eigene Kind sterben lassen (müssen)

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Der Fall des kleinen Charlie Gard
Constance Yates und Chris Gard halten ihren Sohn Charles Gard im Arm.

Foto: dpa/privat

Constance Yates und Chris Gard halten ihren Sohn Charles, genannt Charlie, im Arm.

Eine Nachricht, die allen Eltern den Boden unter den Füßen wegziehen würde: Ihr Baby ist todkrank und es gibt kein Heilmittel. Diese Nachricht ereilte Constance Yates und Chris Gard, als ihr Sohn Charlie acht Wochen alt ist. Sie kämpfen für ihren Sohn – gegen die Krankheit, aber auch gegen die Ärzte und die Gerichte, die Charlies lebenserhaltenden Maßnahmen beenden wollen. Es geht um die Chance zu überleben und um ein würdevolles Sterben. Eine ethische und emotionale Zerreißprobe.

Constance Yates und Chris Gard sind überglücklich, als sie am 4. August 2016 ihr erstes Kind im Arm halten dürfen. Charles Gard, Spitzname Charlie, ist kerngesund und als glückliche kleine Familie verlassen sie das Krankenhaus. Doch dann der Schock: Mit acht Wochen, im Oktober 2016, geht es Charlie immer schlechter. Seine Eltern bringen ihn ins Londoner Great Ormond Street Hospital, lassen ihn untersuchen und weichen nicht von seiner Seite. "Seitdem wir ihn ins Krankenhaus eingeliefert haben,  waren wir fast nicht mehr zu Hause. Wir sind seitdem jeden Tag bei Charlie gewesen und mussten dabei zusehen, wie unser armes Baby immer schwächer wurde", schildern Constance Yates und Chris Gard auf der eigens für ihren Sohn eingerichteten Website "Charlie's Fight".

Zuerst wird bei dem Säugling eine Aspirationspneumonie diagnostiziert. Das ist eine Form der Lungenentzündung, die dadurch entsteht, dass erbrochener Mageninhalt oder andere Stoffe in die Lunge gelangen und dort Entzündungsreaktionen hervorrufen. Doch es kommt noch schlimmer, wie weitere Untersuchungen ergeben: Charlie leidet an einer sehr seltenen angeborenen Erkrankung, dem Mitochondrialen DNA-Depletionssyndrom. Bisher sind nur 15 weitere Fälle dieser Krankheit weltweit bekannt, eine etablierte Therapie gibt es bisher nicht und eine Heilung ist ausgeschlossen. Bei den Mitochondrien, die in jeder Körperzelle vorhanden sind, handelt es sich quasi um die "Kraftwerke" der Zelle: Sie stellen aus Sauerstoff und Nährstoffen die Energie her, die die Zelle braucht, um zu funktionieren. In Charlies Fall ist das Erbgut der Mitochondrien unvollständig, deswegen funktionieren sie nicht mehr oder nur noch eingeschränkt. Das führt dazu, dass verschiedene Organe wie das Gehirn, die Nieren oder die Leber nicht mit genügend Energie versorgt werden und so langsam absterben. Die Lebenserwartung von Kindern mit dieser Erkrankung liegt deshalb nur bei wenigen Monaten oder Jahren.

Keine Erfolgsgarantie, aber Hoffnung

Innerhalb von vier Monaten verschlechtert sich Charlies Zustand rapide: Er kann nicht mehr selbstständig atmen, wird nur noch durch einen Beatmungsschlauch in seinem rechten Nasenloch mit Sauerstoff versorgt. Im anderen steckt eine Magensonde, die dafür sorgt, dass der kleine Junge nicht verhungert. Verzweifelt suchen Constance Yates und Chris Gard nach einer Therapie und werden in den USA fündig. Dort gibt es einen Arzt, der ihnen Hoffnung macht. Er hat an Mäusen mit einer ähnlichen, aber nicht derselben Erkrankung wie Charlies ein neues, experimentelles Therapieverfahren ausprobiert. Bei der Nukleosid-Bypass-Therapie würde Charlie ein Medikament einnehmen, dass theoretisch seine beschädigte mitochondriale DNA repariert und bei der Synthese von Stoffen hilft, die Charlies Körper selbst nicht herstellen kann.

Bisher wurden einem US-Experten zufolge 18 Menschen mit dieser Therapie behandelt – jedoch war keiner von ihnen in einem so schlechten Zustand wie Charlie und keiner von ihnen hatte die identische Erkrankung. Der US-Arzt, der dieses neue Verfahren entwickelt, gibt gegenüber der BBC zu, dass er Charlies Krankheit damit zwar nicht heilen, aber ihn vielleicht am Leben erhalten könnte. "Charlie wird danach vielleicht in der Lage sein, zu interagieren. Zu lächeln. Dinge anzuschauen." Es gäbe eine kleine Chance, Charlies Gehirnfunktionen zu verbessen. Eine Garantie, dass es funktioniert und es Charlie am Ende der Therapie tatsächlich besser geht, gibt er jedoch nicht. Dieser Hoffnungsschimmer reicht für Constance Yates und Chris Gard: Sie sammeln rund 1,3 Millionen Pfund von über 80.000 Spendern, um Charlie in die USA zu bringen und dort die sechsmonatige Behandlung zu bezahlen.

Doch in der Zwischenzeit hat sich Charlies Zustand dramatisch verschlechtert. Die Ärzte im Londoner Great Ormond Street Hospital gehen davon aus, dass der Junge mittlerweile schwere Hirnschäden erlitten hat und taub ist. Aufgrund seiner Krankheit kann er nicht weinen und sich nicht wirklich bewegen, weshalb es Uneinigkeit darüber gibt, ob er dauerhaft unter Schmerzen leidet – die Ärzte denken schon, Charlies Mutter glaubt es nicht. Die Mediziner versuchen Charlies Eltern davon zu überzeugen, die lebenserhaltenden Maßnahmen für ihren Sohn abzuschalten und ihn nur noch palliativ zu behandeln. Yates und Gard lehnen das ab. Sie wollen die Therapie in den USA ausprobieren. "Wir wollen einfach nur unsere Chance haben. Es wäre keine Heilung, aber es könnte ihm helfen, zu überleben. Wenn es ihn rettet, wäre das fantastisch", sagt Yates in einem Interview gegenüber der BBC. Bei der experimentellen Therapie denkt sie auch nicht nur an sich und ihre Familie: "Ich möchte andere retten. Auch wenn Charlie es nicht überlebt, möchte ich nicht, dass jemals eine andere Mutter und ihr Kind dasselbe wie wir durchmachen müssen."

Was ist in Charlies Interesse?

Am 24. Februar reicht das Krankenhaus vor Gericht Klage ein. Sie wollen erreichen, dass die lebenserhaltenden Maßnahmen eingestellt werden, dass das Beatmungsgerät abgeschaltet und Charlie nur noch palliativ behandelt wird. Explizit wenden sie sich auch gegen den Therapieversuchswunsch der Eltern – dafür sei es mittlerweile zu spät, weil sich Charlies Zustand zu sehr verschlechtert habe. "Für jeden klinisch ausgebildeten Experten ist es extrem schwer, wenn von ihm verlangt wird, ein Kind zu behandeln, das keine Chance hat zu überleben oder auch nur seine Lebensqualität zu verbessern", so ein Sprecher des Great Ormond Hospitals. Yates und Gard wehren sich dagegen: "Er kann seinen Mund bewegen, er bewegt seine Hände. Er kann seine Augen nicht vollständig öffnen, aber er kann sie öffnen und uns sehen, er reagiert auf uns", sagen sie.

Das Gericht nimmt sich Zeit, um verschiedene medizinische Experten anzuhören: Die Ärzte des Great Ormond Street Hospitals, den amerikanischen Arzt, der Charlie behandeln will, und ein weiteres Expertenteam aus Barcelona. Im Zentrum des Rechtsstreits steht die Frage danach, was in Charlies Interesse ist: Der Wunsch seiner Eltern, das experimentelle Therapieverfahren auszuprobieren oder, wie seine Ärzte es formuliert haben, "friedlich und in Würde zu sterben". Alle Parteien sind sich einig darüber, dass der jetzige Zustand des Kleinen nicht lebenswert sei.

Sowohl Charlies Ärzte als auch das Team aus Barcelona sprechen sich für die Einstellung der lebenserhalten Maßnahmen aus. Und selbst der Arzt aus den USA gibt zu, dass er die Ansicht seiner Kollegen nach Durchsicht von Charlies Krankenakte und dem Gespräch mit seiner behandelnden Ärztin verstehen können: "Ich stimme ihnen zu, dass es höchst unwahrscheinlich ist, dass sich Charlies Zustand durch die Therapie verbessern wird.  Es ist sehr unwahrscheinlich", gibt er gegenüber der Richterin zu Protokoll. Sollte Charlie jedoch zu ihm kommen und wären seine Eltern in der Lage, die Therapie zu bezahlen, würde er sie ihnen nicht verweigern.

In der Urteilsbegründung am 11. April 2017 schreibt Richter Francis, dass sich die angehörten Experten einig seien, dass das experimentelle Therapieverfahren Charlies bisher erlittene Hirnschäden nicht rückgängig machen könne. "Ich wage zu behaupten, dass die Wissenschaft objektiv von diesem Experiment profitieren würde, aber dieses Experiment kann nicht in Charlies Interesse sein, wenn es nicht auch für ihn einen Vorteil bringt", so Richter Francis. Nachdem sich aber alle einig seien, dass Charlies aktueller Zustand nicht haltbar sei und seine beschädigte Hirnfunktion nicht wiedergewonnen werden könne, gäbe es keinen Anlass zu glauben, dass sich sein Zustand verbessern könne.

"Schweren Herzens, aber überzeugt davon, dass es in Charlies Interesse ist, entscheide ich, dass das Great Ormond Street Hospital rechtmäßig alle Behandlungen mit Ausnahme der palliativen Pflege beenden darf, um Charlie einen würdevollen Tod zu erlauben", so Richter Francis in ihrer Urteilsbegründung über ihre Abwägung von Leid und Lebensqualität des zu dem Zeitpunkt acht Monate alten Babys. Damit stellt sie die ärztliche Einschätzung über den Wunsch der Eltern. Yates und Gard fechten die Entscheidung an, mehrere Berufungsgerichte bestätigen die Entscheidung von Richter Francis jedoch, Anfang Juni auch der oberste britische Gerichtshof: Die Ärzte dürfen die Maschinen abstellen.

Chris Gard und Connie Yates verlassen in London den Supreme Court.

Constance Yates und Chris Gard sind erschüttert über das Urteil und rufen den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg an. Sie sind der Auffassung sind, dass ihre und Charlies Grundrechte nicht berücksichtigt worden seien: Das Krankenhaus habe den in Artikel 2 festgeschriebenen Schutz des Lebens verletzt, indem sie Charlie für das experimentelle Therapieverfahren nicht in die USA reisen ließen und ihn so auch sein Recht auf Freiheit und Sicherheit (Artikel 5) verweigert, was nicht rechtmäßig gewesen sei. Außerdem haben die britischen Gerichte aus ihrer Sicht ihr Recht auf den besonderen Schutz der Familie (Artikel 8) und das Anrecht auf ein faires Gerichtsverfahren (Artikel 6) untergraben und so in ihre elterlichen rechte eingegriffen.

Am 19. Juni nimmt der EGMR den Fall an und weist das Kinderkrankenhaus an, bis zu einer endgültigen Entscheidung des Gerichtshofes die lebenserhaltenden Maßnahmen nicht einzustellen. Drei Wochen verlangen die Richter, um über den Fall zu beraten. Doch die Entscheidung fällt schon früher. Am 27. Juni entschieden sieben Richter des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrecht: Die britischen Gerichte haben rechtmäßig entschieden und die Ärzte des Londoner Great Ormond Street Hospitals dürfen die lebenserhaltenden Maßnahmen einstellen. In seiner Erklärung stellt sich der EGMR explizit auf die Seite der britischen Gerichte: Die ursprüngliche Entscheidung ist "akribisch, gründlich und von drei Instanzen geprüft worden mit einer klaren und umfassenden Erklärung, die die Entscheidung untermauert hat". Deswegen folgt der Gerichtshof der Ansicht der britischen Gerichte, Ärzte und anderen Experten. Die lebensverlängernden Maßnahmen fügten Charlie Schmerz, Leid und Not zu. Die Behandlung mit dem experimentellen Therapieverfahren, die ohne Aussicht auf Erfolg oder Nutzen sei, würde ihm nur weiteren Schaden zufügen. 

Entscheidung zwischen Leben und Sterben

Charlies Schicksal hat nicht nur Großbritannien, sondern auch Deutschland berührt und für Diskussionen gesorgt. Es ist eine zentrale Frage, wer über das Leben und Sterben eines Kindes entscheiden sollte: Die Eltern? Die Ärzte? Oder gar die Gerichte? Claudia Wiesemann, die Direktorin des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin an der Universitätsmedizin Göttingen und Stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, unterstreicht, wie gravierend so eine Einmischung der Gerichte ist. Das sei immer der letzte aller möglichen Wege, betont sie.

In Deutschland fragen sich Mediziner: Ist die Behandlung sinnvoll oder verlängert sie nur das Leiden des Patienten? Diese Frage lässt sich in den meisten, aber leider nicht allen Fällen faktenbasiert beantworten. Die zweite Frage lautet:  Was wäre der Wunsch des Patienten gewesen? Bei Erwachsenen gibt im Idealfall eine Patientenverfügung sehr genau Antwort darauf, welche lebensverlängernden Maßnahmen gewollt sind – oder eben auch nicht. Gibt es keine Patientenverfügung, setzen sich Ärzte und Angehörige zusammen, reden darüber, was der Patient vielleicht im Gespräch für Wünsche geäußert hat oder was sie denken, was sein Wunsch sei.

Claudia Wiesemann ist Direktorin des Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin an der Universitätsmedizin Göttingen und Stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Ethikrats.

Kleinen Kindern wird unterstellt, dass sie noch keinen eigenen Willen haben, um solche Entscheidungen zu treffen. An die Stelle des freien Willen tritt die Frage danach, was das Beste für das Kind ist: Leidet es unter starken Schmerzen oder ist es friedlich und kann die Nähe seiner Eltern noch genießen? Diese Fragen sind nicht immer zweifelsfrei und eindeutig zu beantworten – gerade, wenn es sich um besonders junge Kinder handelt, die noch nicht sprechen können. Im Regelfall hört man in Deutschland auf die Eltern, die ihr Kind am besten kennen. Das ist aber nicht zwingend so. Denn: "Das elterliche Entscheidungsrecht hört da auf, wo das Kindeswohl substanziell gefährdet wird", sagt Wiesemann, zu deren Forschungsschwerpunkten auch Ethik in der Kinderheilkunde und Jugendmedizin gehört.

Sind sich Eltern und Mediziner über den Fortgang der Behandlung des Kindes nicht einig, schaltet man häufig wie auch bei Erwachsenen als erstes das klinische Ethikkomitee zur Vermittlung ein. Im klinischen Ethikkomitee sind im Idealfall alle Berufsgruppen des Krankenhauses, Patientenvertreter und Juristen vertreten. "Ein gewisser Prozentsatz der Vertreter sollte auch eine spezifische Ausbildung in Ethikberatung erhalten haben und mit der Rechtslage vertraut sein, damit die Beratungen professionell sind und kein geltendes Recht verletzen", erklärt Claudia Wiesemann. Das Komitee solle sich möglichst multiperspektivisch und multiprofessionell mit dem vorgetragen Fall befassen. "Das klinische Ethikkomitee kann aber nur beraten, nicht entscheiden – dafür sind in Deutschland im Konfliktfall die Gerichte zuständig, und das ist auch gut so", sagt Wiesemann.

Wäre der Fall von Charlie Gard bei einem deutschen Richter auf dem Tisch gelandet, hätte das Urteil genauso ausfallen können, so Wiesemann. "So ein großer Eingriff ins Elternrecht ist keine Kleinigkeit, aber er ist möglich." Zwar haben Ärzte die Pflicht, Leben zu erhalten, doch sei diese Regel nicht zum Selbstzweck da, um Patienten mehr Leid aufzubürden. Wiesemann findet es schwer zu verstehen, dass Charlies Eltern auch nach Aussage des amerikanischen Arztes, die Behandlung würde Charlies Zustand nicht verbessern, immer noch an der experimentellen Behandlung festhalten wollten.

Eine Stiftung in Charlies Namen

Auch das Argument von Charlies Eltern, dass durch die Erprobung des neuen Therapieverfahrens anderen Kindern in Zukunft vielleicht Leid und Schmerzen erspart bleiben könnten, ist laut Wiesemann nicht ausreichend. "Das wäre nach deutschem Recht nicht zulässig. Wenn viele andere Patienten einen Nutzen von so einer experimentellen Therapie haben könnten und diese nur minimale Nachteile für den Betroffenen hätte, könnte sie eventuell gerechtfertigt sein. In Charlies Fall aber wären die Nachteile für den kleinen Jungen alles andere als minimal und deswegen ist das nicht akzeptabel", sagt Wiesemann. Charlies Mutter hatte bereits im April angedeutet, dass sie im Falle einer gerichtlichen Niederlage das gesammelte Geld in eine Stiftung in Charlies Namen überführen wollen. "Wir möchten gerne andere Babys und Kinder retten, denn diese Medikamente haben sich als wirksam erwiesen und wir glauben fest daran", so Constance Yates in einem Statement auf ihrer Facebook-Seite, das mittlerweile entfernt wurde. "Wenn Charlie diese Chance nicht bekommt, werden wir sicherstellen, dass andere Babys und Kinder gerettet werden."

Charlie muss im Londoner Great Ormond Street Krankenhaus sterben, statt zu Hause.

Nun ist Charlies Schicksal endgültig entschieden - aber das Ende der Geschichte ist es vorerst noch nicht: Eigentlich wollten die Ärzte am 30. Juni 2017 die lebenserhaltenden Maßnahmen einstellen und nur noch dafür sorgen, dass der kleine Junge keine Schmerzen hat. Damit wiedersprachen sie ihrer ersten Aussage, man würde in Ruhe und ohne Eile über das weitere Vorgehen entscheiden. Für Constance Yates und Charlie Gard war die Entscheidung des Krankenhauses, die Maschinen so schnell abzustellen, ein Schlag ins Gesicht: Sie hatten darum gebeten, Charlie mit nach Hause nehmen zu dürfen, damit er dort sterben kann. Doch das Krankenhaus weigert sich. "Wir wollen ihn zu Hause baden, ihn in das Kinderbettchen legen, in dem er nie geschlafen hat, aber all das wird uns verwehrt. Wir wissen, dass unser Sohn sterben wird, aber wir haben kein Mitspracherecht darin, wie oder wann es geschehen wird", klagt Chris Gard, Charlies Vater, gegenüber der DailyMail. Und Canstance Yates fügt hinzu: "Das war unser letzter Wunsch. Wir haben unserem kleinen Jungen jeden Tag versprochen, dass wir ihn mit nach Hause nehmen würden." Das Krankenhaus lehnte sowohl den privat finanzierten Transport Charlies in das Haus seiner Eltern ab als auch den Transfer in ein Hospiz. "Wir haben sie angefleht, uns noch dieses Wochenende zu geben", sagt Charlies Mutter, "Freunde und Familie wollten vorbeikommen, Charlie ein letztes Mal sehen und sich von ihm verabschieden. Aber jetzt ist dafür keine Zeit mehr. Die Mediziner haben gesagt, es gäbe keine Eile das Beatmungsgerät abzustellen, aber wir werden zur Eile gedrängt." 

Anscheinend hat der öffentliche Aufschrei der Empörung über dieses Vorgehen des Londoner Great Ormond Street Hospitals etwas gebracht: Am Freitagabend entschied das Krankenhaus, Charlie und seinen Eltern noch "etwas mehr Zeit" zu geben.​ "Wir haben heute Gespräche mit Great Ormond Street geführt und sie haben zugestimmt, uns noch ein bisschen mehr Zeit mit Charlie zu geben", schreibt Constance Yates auf ihrer Facebookseite.

Bald wird Charlies Kampf und der von Constance Yates und Chris Gard aber vorbei sein. Sieger gibt es keine, sondern nur eine große Leere, die Charlie im Herzen und im Leben seiner Familie hinterlassen wird. 

Trauerakt für Helmut Kohl: Juncker würdigt Kohl als deutsch-europäischen Patrioten

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Helmut Kohl

Foto: dpa/Tim Brakemeier

Kohl habe deshalb erfolgreich für die deutsche Wiedervereinigung werben können, weil er glaubwürdig für ein europäisches Deutschland statt für ein deutsches Europas gestanden habe, sagte Juncker im Plenarsaal der Volksvertretung.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat Helmut Kohl als großen Staatsmann und deutsch-europäischen Patrioten gewürdigt. "Für Helmut Kohl gingen deutsche und europäische Einheit zusammen, zwei Seiten einer Medaille", sagte Juncker beim europäischen Trauerakt für den verstorbenen Altbundeskanzler am Samstagvormittag im Europäischen Parlament in Straßburg. Kohl habe deshalb erfolgreich für die deutsche Wiedervereinigung werben können, weil er glaubwürdig für ein europäisches Deutschland statt für ein deutsches Europas gestanden habe, sagte Juncker im Plenarsaal der Volksvertretung. 

Juncker, der Kohl seit Jahrzehnten kannte und ihn seinen Freund nannte, schloss seine Rede vor dem mit einer Europaflagge bedeckten Sarg sehr persönlich. "Lieber Helmut, Du bist, so denke ich, jetzt im Himmel", sagte der Luxemburger und verabschiedete sich bei dem Verstorbenen mit einer Danksagung in vielen verschiedenen europäischen Sprachen.



Auch die Präsidenten des Europäischen Rates und des Europaparlaments, Donald Tusk und Antonio Tajani, würdigten Kohl als großen Europäer. Der Pole Tusk erinnerte insbesondere an die deutsch-polnische Aussöhnung und deren Rolle für die Wiedervereinigung Deutschlands und Europas. "Nur wenige in Europa haben so gut wie Helmut Kohl die Bedeutung der Freiheitsbewegungen in Mittel- und Osteuropa für die Idee der Vereinigung Deutschlands verstanden - und damit auch für Europas Vereinigung verstanden."

Tajani nannte Kohl "einen politischen Riesen, der fähig war, dem Bürger Gehör zu schenken und eine Vision über das Tagesgeschäft hinaus zu entwickeln". Kohl sei vor allem ein mutiger Mann gewesen, der Freiheit und Demokratie verfochten habe, sagte der italienische Politiker. Zu Beginn der zweistündigen Zeremonie hatten acht Soldaten des Wachbataillons der Bundeswehr den Sarg mit Kohls sterblichen Überresten in den Plenarsaal getragen. Es ist das erste Mal, dass die Europäische Union einen Politiker mit einem offiziellen Trauerakt ehrt.

Merkel würdigt historische Leistung Kohls

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Foto: dpa/Kay Nietfeld

"Helmut Kohl verkörpert eine Epoche", sagte Merkel vor dem mit einer Europaflagge bedeckten Sarg mit Kohls Leichnam.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich mit Worten der Anerkennung und Dankbarkeit von Helmut Kohl verabschiedet. "Das wird für immer die alles überragende, einmalige, historische Leistung Helmut Kohls bleiben: Gemeinsam mit seinen Partnern bettete er die deutsche Einheit in die europäische Einigung ein", sagte Merkel am Samstag beim europäischen Trauerakt für den verstorbenen Altbundeskanzler im Europaparlament in Straßburg. "Ein Werk des Friedens, ein Werk der Freiheit und ein Werk der Einheit", fügte sie hinzu.

"Helmut Kohl verkörpert eine Epoche", sagte Merkel vor dem mit einer Europaflagge bedeckten Sarg mit Kohls Leichnam. Er habe in der Innen- und Außenpolitik Deutschlands "Pflöcke eingeschlagen", die bis heute gälten und "entscheidend das Europa mitgeschaffen, in dem wir heute leben". Die Bundeskanzlerin würdigte Kohls "ausgeprägtes, feines Gespür für das politisch Machbare". Kohl habe es verstanden, "Brücken zu bauen: Sie reichten nach Paris, Warschau, Washington und Moskau."



Merkel äußerte sich auch sehr persönlich. "So manche Geister schieden sich an ihm", sagte die in der ehemaligen DDR aufgewachsene Politikerin. "Auch ich kann davon erzählen, doch all das tritt zurück hinter seinem Lebenswerk." Die Bundeskanzlerin richtete ihren Dank an Kohl und unterdrückte dabei sichtlich Tränen: "Lieber Bundeskanzler Helmut Kohl, dass ich hier stehe, daran haben Sie entscheidenden Anteil", sagte sie und dankte für die Chancen, die Kohl ihr sowie allen Deutschen und Europäern ermöglicht habe. "Ich verneige mich vor Ihnen und Ihrem Angedenken in Dankbarkeit und Demut."

Helmut Kohls letzte Reise - Bewegende Worte beim EU-Trauerakt in Straßburg

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Foto: epd/Uwe Anspach

Mit persönlichen Erinnerungen und der Würdigung seines historischen Vermächtnisses nahmen Spitzenpolitiker und Weggefährten aus aller Welt beim rund zweistündigen Trauerakt im Europaparlament in Straßburg am Mittag Abschied von Helmut Kohl.

In der Luft, zu Lande und auf dem Wasser: Der verstorbene Altbundeskanzler Helmut Kohl am Samstag hat seine letze Reise angetreten. Nach dem europäischen Trauerakt in Straßburg, einer Premiere in der Geschichte der Europäischen Union, wurde der Sarg mit dem Leichnam Kohls von einem Hubschrauber nach Ludwigshafen geflogen. Dort fuhr der Trauerkonvoi durch die Innenstadt, bevor der Sarg an Bord der "MS Mainz" rund fünf Kilometer über den Rhein nach Speyer gebracht wurde.

Für den frühen Abend waren in Speyer ein Pontifikalrequiem im Dom und ein militärisches Ehrengeleit vorgesehen. Anschließend sollte der Leichnam Kohls im engsten Kreis auf dem Friedhof neben der Speyerer Friedenskirche St. Bernhard beigesetzt werden.



Mit persönlichen Erinnerungen und der Würdigung seines historischen Vermächtnisses nahmen Spitzenpolitiker und Weggefährten aus aller Welt beim rund zweistündigen Trauerakt im Europaparlament in Straßburg am Mittag Abschied von Helmut Kohl. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, Ex-US-Präsident Bill Clinton und andere erinnerten an den verstorbenen Altbundeskanzler als großen Staatsmann, der entschlossen für die deutsche Einheit gekämpft und zugleich für ein europäisches Deutschland anstelle eines deutschen Europas gearbeitet habe.

Juncker ging wie andere Redner auf Kohls große Fähigkeit ein, starke persönliche Beziehungen mit Politikern anderer Länder aufzubauen. Kohl habe deshalb erfolgreich für die deutsche Wiedervereinigung werben können, weil er glaubwürdig für ein europäisches Deutschland eingetreten sei, sagte Juncker bei seiner Rede vor dem mit einer Europaflagge bedeckten Sarg.

Merkel unterdrückte sichtlich Tränen

Auch Merkel verband in ihrer Rede in Anwesenheit der Witwe Maike Kohl-Richter und zahlreicher Staats- und Regierungschefs Deutschland und Europa. "Das wird für immer die alles überragende, einmalige, historische Leistung Helmut Kohls bleiben: Gemeinsam mit seinen Partnern bettete er die deutsche Einheit in die europäische Einigung ein", sagte Merkel. "Ein Werk des Friedens, ein Werk der Freiheit und ein Werk der Einheit", fügte sie hinzu.

Merkel äußerte sich auch sehr persönlich. "So manche Geister schieden sich an ihm", sagte die CDU-Vorsitzende, deren politischen Aufstieg Kohl einst gefördert hatte, bevor sie sich im Zuge der CDU-Spendenaffäre überwarfen. "Auch ich kann davon erzählen, doch all das tritt zurück hinter seinem Lebenswerk." Die in der früheren DDR aufgewachsene Politikerin richtete zuletzt ihren Dank an den Verstorbenen und unterdrückte dabei sichtlich ihre Tränen: "Lieber Bundeskanzler Helmut Kohl, dass ich hier stehe, daran haben Sie entscheidenden Anteil."

Medwedew: Beste Beziehungen zwischen Deutschland und Russland

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erinnerte an Kohls enge Beziehung zum damaligen französischen Staatspräsidenten François Mitterand. Beide hätten "die tragischen Erfahrungen ihrer Generation nicht vergessen" und erreicht, "dass Völker, die sich einst bekämpft haben, Völker sind, die in Freundschaft verbunden sind", urteilte Macron in Straßburg.

Der ehemalige US-Präsident Bill Clinton sagte, das 21. Jahrhundert habe mit Helmut Kohl begonnen. Der Altbundeskanzler habe eine Welt schaffen wollen, in der niemand dominiert. Kohl habe erkannt, dass das "Krebsgeschwür" des Jahrhunderts aus der Einsicht resultierte, dass Dominanz besser als Zusammenarbeit sei, unterstrich Clinton, der seine Abschiedsworte zu Tränen gerührt vortrug. "Ich habe ihn geliebt", sagte er.

Russlands Ministerpräsident Dmitri Medwedew sagte, Kohl habe persönlich dafür gesorgt, dass die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland zu den besten in der gemeinsamen Geschichte gehörten. Sein Land gedenke Kohl "wie eines großen Freundes".


Papst betet für Eltern von Baby Charlie

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Baby Charlie Gard in der Kinderklinik Great Ormond Street Hospital in London.

Foto: dpa/Uncredited

Baby Charlie Gard in der Kinderklinik Great Ormond Street Hospital in London.

Papst Franziskus hat für die Eltern des unheilbar kranken Säuglings Charlie aus Großbritannien gebetet.

Der Heilige Vater verfolge mit Zuneigung und Emotion den Fall, teilte ein Sprecher des Vatikans am Sonntagabend in Rom mit. "Er betet für (Charlies Eltern) in dem Wunsch, dass ihr Wille, das eigene Kind bis zum Ende zu begleiten und zu betreuen, respektiert wird."

Der zehn Monate alte Junge leidet an einer seltenen genetischen Erkrankung und liegt mit irreversiblen Gehirnschäden in einem Krankenhaus in London. Seine Eltern wollten das Kind für eine experimentelle Therapie in die USA bringen. Die behandelnden Ärzte sind dagegen überzeugt, dass die Therapie nicht helfen würde. Sie forderten deshalb, die Behandlung einstellen zu dürfen, weil sie fürchten, dass der Junge unnötig leidet.

Das oberste Gericht Großbritanniens gab den Ärzten Recht. Auch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg waren Charlies Eltern Anfang vergangener Woche gescheitert. Die Abschaltung der Maschinen, die ihn am Leben halten, war ursprünglich für Freitag geplant, wurde jedoch auf Wunsch der Eltern verschoben und wird nun für die kommenden Tage erwartet.

Gericht: Plakatwand neben Friedhof ist nicht pietätlos

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Großflächige Werbung auf einer Plakatwand in der Nähe eines Friedhofs darf nicht deswegen verboten werden, weil sie das Pietätsempfinden der Friedhofsbesucher stören könnte.

In einer am Montag veröffentlichten Entscheidung gab das Verwaltungsgericht in Neustadt an der Weinstraße der Klage eines hessischen Unternehmens statt. Die Firma wollte im pfälzischen Elmstein gegenüber dem Eingang zum örtlichen Friedhof auf einem Grundstück der Telekom AG eine 3,8 mal 2,8 Meter große Plakatanschlagtafel aufbauen. Der Kreis Bad Dürkheim hatte einen entsprechenden Bauantrag jedoch abgelehnt. Wegen der Nähe zum Friedhof befinde sich der geplante Standort in einem "sensiblen Bereich".

Die Neustadter Richter stellten sich auf die Seite des klagenden Unternehmens. Zwar erfordere der Schutz des Totengedenkens Rücksichtnahme durch die Nachbarschaft. Vom eigentlichen Friedhof aus sei die Werbeanlage aber gar nicht zu sehen. Dass die Friedhofsbesucher auf dem Weg zum Friedhof an den Werbeplakaten vorbeikämen, stelle keine wesentliche Beeinträchtigung dar, urteilten sie.

Imame auf Friedenstour gegen islamistischen Terror

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Rund 60 Imame aus Frankreich und anderen europäischen Ländern wollen zwischen dem 9. und 14. Juli auf einer Tour durch Europa Städte aufsuchen, in denen es in den vergangenen Jahren besonders schwere islamistische Terroranschläge gegeben hat.

Der "Marche des Musulmans contre le terrorisme" ("Marsch der Muslime gegen den Terrorismus") beginnt am Sonntag an der Berliner Gedächtniskirche, am Ort des Anschlags vom 19. Dezember 2016 auf dem Weihnachtsmarkt, wie die Kirchengemeinde am Montag in Berlin mitteilte. Die Imame wollen anschließend nach Brüssel fahren und über weitere Stationen wie Toulouse und Nizza schließlich am 14. Juli, dem französischen Nationalfeiertag, in Paris eintreffen.

Auf ihrer Friedenstour wollen die Imame, darunter sechs aus Berlin, für die Opfer beten und ein Gegenbild des Islam zeigen, wie es heißt. Für sie wie für viele Muslime sei der Islam eine Religion des Friedens und wolle zu einem guten Zusammenleben der Menschen beitragen.

Beim Auftakt des Marsches am Sonntag werden die europäischen Imame unter anderem von Vertretern der Bundesregierung, des Berliner Senats und von Berlins evangelischem Bischof Markus Dröge begrüßt. Angefragt seien zudem Rabbiner und Rabbinerinnen aus der Bundeshauptstadt. Die Abschlussveranstaltung am 14. Juli in Paris wird den Angaben zufolge auf dem Fernsehkanal France 2 direkt übertragen.

Organisatoren des Friedensmarsches sind den Angaben zufolge Imam Hassen Chalghoumi aus dem Pariser Vorort Drancy und der jüdische Schriftsteller Marek Halter. "Wenn unsere Religion vom IS zur Geisel genommen wird, müssen wir reagieren", erklärte Chalghoumi. Aus Berlin nimmt unter anderem Imam Taha Sabri von der "Neuköllner Begegnungsstätte - Dar-Al-Salam-Moschee" an der Tour teil. Vorwürfe gegenüber Sabri, die Dar-Al-Salam-Moschee unterstütze islamistische Tendenzen, "halten wir für unbegründet oder seit Jahren überholt", erklärte die evangelischen Kirchengemeinde.

Neues Bestattungsgesetz soll Patientenschutz stärken

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Nahaufnhame einer bleichen Hand im Krankenhausbett. Symbolfoto.

Foto: Getty Images/iStockphoto/KatarzynaBialasiewicz

Symbolfoto

Mit einem neuen Bestattungsrecht will Niedersachsen künftig die Aufklärung von Todesursachen erleichtern. Die rot-grüne Landesregierung beschloss dazu am Dienstag, eine Novelle des Bestattungsgesetzes in den Landtag einzubringen.

Die Verbesserung des Patientenschutzes sei eine wichtige Zukunftsaufgabe, sagte Sozialministerin Cornelia Rundt (SPD). Mit der Novelle reagierte das Kabinett auf die Mordserie des Krankenpflegers Niels H. in Oldenburg und Delmenhorst. Der Pfleger hatte zahlreichen Patienten lebensgefährliche Medikamente gespritzt, um sich anschließend als Reanimateur beweisen zu können. Der Gesetzentwurf verschärft deshalb unter anderem die Bestimmungen für die Leichenschau, um Todesursachen genauer erkennen zu können. Für die äußere Leichenschau sollen ärztliche Meldepflichten eingeführt werden.

Zudem soll künftig eine erweiterte innere Leichenschau erlaubt sein, mit der auch Substanzen festgestellt werden können, die einer verstorbenen Person verabreicht wurden. Auch die Todesursache von Kindern sollen künftig besser aufgeklärt werden können. Der Krankenpfleger Niels H. wurde 2015 wegen Mordes, Mordversuchs und gefährlicher Körperverletzung vom Landgericht Oldenburg zu lebenslanger Haft verurteilt.

Schweigeminute für Opfer des Busunglücks in München

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Ein Schild mit der Aufschrift "Notfallseelsorge" ist auf einem Autodach zu sehen.

Foto: dpa/Patrick Pleul

Nach dem schweren Busunglück in Oberfranken waren 15 kirchliche Notfallseelsorgerinnen und -seelsorger im Einsatz.

Einen Tag nach dem schweren Busunglück in Oberfranken hat das bayerische Kabinett mit einer Schweigeminute der Opfer gedacht. "Wir beten für die Opfer und die vielen Verletzten", sagte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) am Dienstag in München.

Seehofer dankte außerdem den zahlreichen Rettungs- und Einsatzkräften. Diese hätten bei der Bergung und Versorgung der Opfer "so viel geleistet und schwierigste Umstände bewältigt". Die Arbeit der Notfallseelsorger wird auch nach ihrem Einsatz vom Montag andauern. Auch in Sachsen waren Notfallseelsorger im Einsatz, um sich um Angehörige der Opfer zu kümmern.

Notfallseelsorger begleiten Rettungskräfte und Angehörige

Bei dem Unglück am Montagmorgen verbrannten 18 Menschen in einem Reisebus, rund 30 wurden zum Teil schwer verletzt. Die Insassen waren überwiegend Senioren aus Sachsen, die sich auf dem Weg zum Gardasee befanden. Der Bus war zwischen Münchberg und Gefrees auf einen Lkw aufgefahren und stand offenbar sofort in Flammen. Warum sich das Feuer so rasend schnell ausgebreitet hat und so zur Falle für 18 Insassen wurde, ist noch nicht geklärt. Die Überlebenden konnten sich selbst retten. Drei schweben noch in Lebensgefahr.

Wie der Beauftragte der Notfallseelsorge der bayerischen evangelischen Landeskirche, Hanjo von Wietersheim, am Dienstag dem epd sagte, stand der Bus nach kurzer Zeit schon so in Flammen, dass die Feuerwehr niemanden mehr habe retten können. Dieses Gefühl, nicht mehr helfen zu können, müssten die Einsatzkräfte erst einmal verarbeiten. Die Feuerwehr habe nur noch die Toten bergen können. Brandleichen seien ein schrecklicher Anblick. Auch diese Bilder müssten die Einsatzkräfte verarbeiten, sagte von Wietersheim.

Insgesamt waren bei dem Einsatz laut von Wietersheim 15 kirchliche Notfallseelsorgerinnen und -seelsorger vor Ort. Dazu kamen Krankenhausseelsorger und acht weitere Einsatzkräfte der psychosozialen Notfallversorgung. Auch die Angehörigen werden in nächster Zeit betreut: Denn viele stellten sich vor, wie die Reisegruppe in dem Bus erstickte oder bei lebendigem Leib verbrannte. Die Notfallseelsorge helfe den Menschen, mit diesen Bildern im Kopf oder der Frage nach dem "Warum" klarzukommen, sagte von Wietersheim.

In Sachsen hätten etwa 30 ehrenamtliche Mitarbeiter der Notfallseelsorge den Angehörigen Todesnachrichten überbracht, sagte Polizeiseelsorger Christian Mendt dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Leipzig. Mendt stammten alle Opfer aus dem Freistaat. In 15 Fällen hätten die Seelsorger Angehörige angetroffen.

Mendt, der auch Koordinator für Notfallseelsorge bei der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens ist, sagte, der Einsatz der Notfallseelsorger beschränke sich auf die "Akutsituation". Auf Wunsch würden Angehörige auch weiter betreut. "Einige wollen das aber gar nicht" und wendeten sich an Freunde oder Bekannte, sagte Mendt.

 

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